Ein fast majestätisches Finale

Bachfest 2002, das Abschlusskonzert: Das Ensemble Baroque de Limoges spielt die Messe in h-Moll BWV 232

Kurz vor Beginn des Abschlusskonzertes war der Thomaskirchhof noch immer dicht bevölkert. Thomaskantor Georg Christoph Biller stellte sich den Fotografen, genauso wie der Geschäftsführer des Bachfestes, Bernhard Heß. Auch die hiesigen Radiostationen verlangten noch nach O-Tönen. Bachs h-Moll Messe hat scheinbar nichts von ihrer Anziehungskraft verloren, die Spannung auf das Konzert war deutlich spürbar. Auch die im Vorfeld des Bachfestes so viel gescholtene Rathausspitze war anwesend und demonstrierte in diesem Konzert, dass sie hinter dem Bachfest steht. Und so saßen sie alle einträchtig nebeneinander und sich gegenüber und warteten gespannt auf den Beginn.

Der bekannte Musikkritiker Joachim Kaiser hat einmal die Messe in h-Moll als das „gewaltigste Chorwerk der Christenheit“ bezeichnet. Nun könnte man dem einfach zustimmen, dann wäre die Rezension an diesem Punkt bereits beendet. Wenig Mühe für ein beeindruckendes Konzerterlebnis. Doch so leicht will es sich Rezensent nicht machen Als ob Christophe Coin einen versteckten Schalter betätigt hätte, waren schon beim Eröffnungschoral „Kyrie Eleison“ viele Gesichter tief in sich versunken; blickten viele Augenpaare fast hilfesuchend an die Decke der Thomaskirche. Die getragene Stimmung breitete sich in Sekundenschnelle aus. Sollte es hier zu einer meditativen Massenveranstaltung kommen? Der RIAS Kammerchor zeigte von Beginn an, wozu er fähig ist. Die Töne hallten von den Wänden des Gotteshauses, dass man fast dem Eindruck erliegen konnte, man befände sich in einer der großen Kathedralen der Christenheit. Bestimmt und doch auch wieder sanft, aber niemals laut, begannen die Künstler den langen Marsch durch dieses riesenhafte Werk Bachs.

Das Quintett der Solisten harmonierte in bestechender Art und Weise mit den Instrumentalisten. Ohne Schwierigkeiten legte der Tenor Markus Schäfer („Domine Deus, Rex coelestis“) los. Robin Blaze, der die Altstimme sang, steigerte sich in wundersame Höhen hinauf („Qui sedes ad dextram Patris“). Dominierte bis dahin das Feierliche, das Mystische, so widersetzten sich jetzt Blechbläser der Harmonie. Das Horn röhrte fast wie bei einer Jam-Session. Beim anschließenden Choral „Cum Sancto Spiritu in gloria Dei Patris, amen“ hielt es einen Mann vom Radio nicht mehr auf seinem Stuhl. Ruckartig schnellte der Kopf immer wieder nach vorn. Und über allem wachte souverän Christophe Coin. Am Morgen ließ er sich beim Pressegespräch entschuldigen. Die Kräfte wollten wohl eingeteilt sein. Eine richtige Entscheidung, wie das Konzert gezeigt hat.

Coin und sein Ensemble Baroque de Limoges haben an diesem Abend gezeigt, was historische Aufführungspraxis zu leisten vermag. Die bewegenden Soli bei „Gloria“ und im Schlussteil (Flöte und Horn) ließen das Publikum nicht unberührt. In den kurzen Pausen standen sie denn auch im Mittelpunkt der Diskussionen („So natürlich habe ich das Hornsolo noch nicht gehört“). Das wird auch Thomaskantor Biller gefallen haben, der ja schon seit längerer Zeit dafür kämpft, dass auch das Gewandhausorchester sich zur historischen Aufführungspraxis in der Thomaskirche bekennt. Am Ende war man geneigt zu sagen: Bitte mehr davon.

Leider konnte hinterher die Messe nicht ihre betörende Wirkung entfalten. Gerade einmal ein kurzer Moment des Innehaltens war ihr vergönnt. Dann begann schon das zerstörerische Werk der Kaputtklatscher und Effekthascher. Schade, der Abend hätte mehr verdient gehabt.

Ensemble Baroque de Limoges, Dirigent: Christophe Coin

Barbara Schlick, Sopran
Franziska Gottwald, Sopran
Robin Blaze, Alt
Markus Schäfer, Tenor
Stephan MacLeod, Bassbariton

RIAS Kammerchor

Johann Sebastian Bach, Messe in h-Moll BWV 232

12. Mai 2002, Thomaskirche, Abschlusskonzert Bachfest

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