Ein Grosses Concert unter Leitung von Thomas Dausgaard mit Brahms
Muss noch etwas gesagt werden zu der Verbindung Johannes Brahms und Gewandhausorchester? Brahms, eines der drei „B’s“, die das musikalische Fundament des Hauses am Augustusplatz bilden, stand mit einem Doppelprogramm auf dem Spielplan. Eigentlich hätte Neeme Järvi an diesem Abend vor dem Orchester stehen sollen, doch eine Erkrankung zwang ihn zur Absage. So durfte man gespannt sein, wie sein skandinavischer Vertreter, Thomas Dausgaard, die Gelegenheit nutzen würde, sich dem Leipziger Publikum vorzustellen.
Zum Auftakt gab es das Doppelkonzert für Violine und Violoncello. Es ist Brahms‘ letzte große Orchesterkomposition, aber eine von ungemein großer Bedeutung. Für Brahms selbst war es ein „Versöhnungswerk“, schrieb er es doch hauptsächlich für den Geiger Joseph Joachim, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbunden hatte – bis sich Brahms auf die Seite der geschiedenen Ehefrau Joachims stellte. Diese kleinen biographischen Störungen waren allerdings beseitigt, als Joachim die fertige Komposition in den Händen hielt. Da gab es nur noch Begeisterung.
Man konnte also gespannt sein, vor allem auch wegen der Solisten an diesem Abend: Boris Pergamenschikow und Christian Tetzlaff. Ein behänder Hindernislauf über das Podium des Cellisten, dann stand Dausgaard am Pult. Eine kurze Orchestereinleitung, dann war schon die Reihe an Pergamenschikow. Dunkel und schwermütig sprangen die ersten Töne in den Saal. Die unsichtbare Hand Brahms‘ zur Versöhnung war ausgestreckt. Da man die Geduld von Freunden nicht über Gebühr strapazieren sollte, griff Christian Tetzlaff diese Geste mit seiner Violine auf. Wie von einer Last befreit, reihten sich die Akkorde aneinander. Dabei hatten sich die beiden Solisten immer im Blick.
Pergamenschikow umarmte sein Instrument wie eine Geliebte. Immer wieder fuhr seine linke Hand an den Konturen des Cellos entlang. Auch bei Tetzlaff hielt die Zurückhaltung nicht lange an. Seinen Stellplatz nutzte er optimal wie Architekten mit Platznot in Großstädten. Statt in die Breite bauen sie in die Höhe. Bei Tetzlaff sah das aus wie ein Taschenmesser, das auf und zu schnappt. Dann wieder musste man um den Dirigenten Angst haben, wenn der Bogen ihm gefährlich nahe kam. Aber es war ein Konzert nicht allein für die Soloinstrumente, sondern auch für das Orchester. Nun muss man sagen, dass jedes Brahmsprogramm für das Gewandhausorchester ein Heimspiel bedeutet, bei dem es zeigen kann, was in ihm steckt. Eine Überraschung war der Dirigent Thomas Dausgaard, der aus seiner Ersatzrolle das beste machte. Er führte das Orchester mit Verve und sichtlich von der Spielfreude der beiden Solisten angesteckt. Und seine Spontaneität kam gut an – besonders bei den jungen Besuchern auf der Orgelempore, die schon nach dem ersten Satz in Beifallsbekundungen ausbrachen.
Nach der Pause dann die Dritte von Brahms. Schon so oft gehört, was sollte da noch überraschen? Dabei ist es besonders schwer, das schon so oft Gespielte immer wieder neu zu erarbeiten. Gut, Dausgaard erfand zwar das Rad nicht neu, aber die zupackende Art, in der er die Musiker mit seiner Linken förmlich beschwor, gab der Aufführung eine besondere Note. Angefeuert vom Schlagzeug, legten sich die Bläser mächtig ins Zeug, blitzten immer wieder die Flöten auf. Am Ende merkte man nicht, dass ein kurzfristiger Ersatz am Pult gestanden hatte. Langer Beifall der Leipziger Brahms-Jünger.
Johannes Brahms: Konzert für Violine, Violincello a-Moll op.102
Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90
Gewandhausorchester, Dirigent: Thomas Dausgaard
Christian Tetzlaff, Violine
Boris Pergamenschikow, Violoncello
31. Mai 2002, Gewandhaus, Großer Saal
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