Mendelssohns Geist

Zur Gründung einer Internationalen Mendelssohn-Stiftung

Felix Mendelssohn Bartholdy begleitet Kurt Masur schon mehrere Jahrzehnte. Als Klavierschüler, Student an der Hochschule und später als Dirigent in den Konzertsälen. Masur selbst nennt ihn den „Leitstern meines Tuns“. Mit ihm musste er sich aber auch die Zuneigung seiner Ehefrau Tomoko teilen. Zumindest visuell. Denn auf dem Weg zum Büro des Gewandhauskapellmeisters kommt der Besucher an einer Galerie aller Gewandhaus-Kapellmeister vorbei. Bei jedem Besuch soll Tomoko Masur über das Bild Mendelssohns gestreichelt haben. Masur hat sich immer dagegen gewehrt, dass ein Bild von ihm dort aufgehängt wird, solange er in Leipzig ist. So kann er wenigstens keinen Grund gehabt haben, eifersüchtig zu sein.

In Zukunft wird eine privatrechtliche Stiftung die Pflege des Erbes Mendelssohns in Leipzig begleiten und unterstützen. Der bisher existierende Verein wird in die Stiftung aufgehen. Die Stadt Leipzig wird sich an der Stiftung mit ungefähr 250.000 Euro beteiligen. In Zeiten leerer Kassen ein respektabler Betrag, wie sich Oberbürgermeister Tiefensee beeilte zu versichern. Zumindest kann ihm nicht nachgesagt werden, er vernachlässige das kulturelle Kapital der Stadt. Übrigens ein Umstand, den auch Masur bei seiner Rede während des abendlichen Benefizkonzertes erwähnte. Das genaue Stiftungskapital wollte Tiefensee mit Verweis auf die spendablen Gönner nicht nennen. Er hoffe, „dass der gordische Knoten jetzt zerschlagen sei“. Mit der Stiftung, so hoffen alle Beteiligten, soll das Mendelssohn-Haus in der Goldschmidtstraße von allen Schulden entlastet werden. Damit wird in Zukunft mehr Geld für die eigentliche Arbeit vorhanden sein.

Seit ihrer Gründung vor elf Jahren hat der Verein Internationale Mendelssohn-Stiftung e.V. weltweit siebenhundert Mitglieder gewinnen können. Dabei scheint das Erbe dieses vielseitigen Künstlers im Ausland mehr gepflegt zu werden, als in der Stadt, wo er die meisten Spuren hinterlassen hat. Einer der Schwerpunkte der neuen Stiftung wird die verstärkte internationale Kooperation stehen. Masurs Ehefrau wird aus diesem Grund die Rolle einer Botschafterin übernehmen. In London wird Masur in Kürze Ehrenmitglied der Mendelssohn Scholarship Association der Universität London werden. Mit den London Philharmonic Orchestra wird er bei den London Proms den „Elias“ aufführen. Bei geschätzten siebentausend Besuchern ein hervorragende Gelegenheit, die Stiftung und ihre Arbeit zu präsentieren. Gerade in dieser Kooperation sieht das Kuratoriums großes Potenzial.

Am Schluss wurde Masur noch einmal zum Mahner. Masur richtete ein eindringliches Plädoyer an die Stadt und ihre Einwohner. Die Stadt müsse sich besinnen, wo ihre Schätze liegen, nämlich in der Kultur, sagte der Dirigent. Über der Musikkultur schwebte der Geist Mendelssohns als Visionär und Modernisierer. Und solange kein neuer Visionär in Sicht ist, wird sich Masur wohl gern vor diesen Karren spannen lassen.

Pressekonferenz zur Gründung einer internationalen Felix Mendelssohn Bartholdy-Stiftung

26. August 2002, Mendelssohn-Haus


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