Mensch(,) Kurt

Statt einem Festakt für Kurt Masur nun ein Benefizkonzert für die Geschädigten der Hochwasserkatastrophe in Sachsen

Benefizkonzerte aller Orten. Bereits vor zwei Wochen spielte das Gewandhausorchester eine sehr respektable Summe für die Opfer der Hochwasserkatastrophe ein. Eigentlich sollte am heutigen Abend ein Festakt der Stadt Leipzig anlässlich des 75. Geburtstages von Kurt Masur stattfinden. Aber Masur wollte statt wohlfeiler Reden einen eigenen Beitrag leisten, statt Festakt ein hochkarätiges Benefiz-Konzert. Woran lag es, dass der Große Saal nur halb gefüllt war? Waren es die ersten Anzeichen einer Spendenmüdigkeit? Oder hatte der Kanzlerkandidat der CDU/CSU wenige Stunden zuvor Hunderte Leipziger auf dem Markt in einen kollektiven Rauschzustand versetzt? So hatten sich die üblichen Verdächtigen eingefunden: von Ehrenbürger Loest, Regierungspräsident Steinbach bis Ministerpräsident a.D. samt Gattin aus Dresden. Kameragerecht begann in der Reihe ein gegenseitiges Geherze, dass man fast schon ein wenig Angst um den Jubilar haben musste.

Ganz ohne Reden ging es dann doch nicht. Gleichwohl die von Masur zu einem wehmütigen Rückblick geriet. Das soll keineswegs despektierlich klingen. Masur sagte, „er fühle sich durch Leipzig beschenkt.“ Dabei hat Masur nie verleugnet, welche Rolle Leipzig in seinem Wirken einnimmt. So groß ist die Rolle, dass er beim Abschiedskonzert mit den New Yorker Philharmonikern anmerkte, die New Yorker wüssten gar nicht, wie viel Leipzig er hier lasse. Zum Schluss äußerte Masur die Hoffnung, dass das Zusammenrücken der Menschen keine Momentaufnahme bleibe. „Vielleicht liegt in dem Aufbruch nach der Katastrophe, die größte Errungenschaft verborgen“, sagte Masur. In diametralen Gegensatz dazu, bewegte sich die Rede von Oberbürgermeister Tiefensee. Allzu sehr menschelte es da vom Podium herunter. Davon, dass er Mensch geblieben sei und von einem Geschenk für Leipzig war da die Rede, ein emphatischer Satz reihte sich an den anderen.

Musik gab es auch. Das Gewandhaus-Quartett hatte sich eingefunden und spielte Mendelssohns Streichquartett op.80. Ohne Schnörkel gingen die Musiker zu Werke. Zwischen Leidenschaft und dunkler Bedrohung schwankend, wurde hier deutlich, warum das Quartett als eines der besten der Welt gilt. So angetan von der Darbietung, steht Masur allein vor den Musikern und applaudiert. „Die selbstverständliche Meisterschaft ihres Musizierens ist ein Geschenk“, sagte er später. Angesteckt von soviel Applaus, versteckte sich auch Elisabeth Leonskaja mit Werken von Chopin nicht. Meisterhaft, wie sie die Töne zerbrechlich wie Glaskristalle in den Saal springen ließ. Zum Schluss dann das gemeinsame Klavierquintett von Schumann. Aus einem langsamen Beginn mauserte sich ein unwiderstehlich romantisches Musikstück. Allein im zweiten Satz legten sich die Musiker etwas zu sehr ins Zeug. Legte sich eine Mattigkeit im warmen Großen Saal über die Zuhörer. Am Schluss, fast wie selbstverständlich, stehender Applaus…

Hatte Masur auch gefordert, auf Geschenke zu verzichten, ging es ohne Präsent nicht: Ein bislang unbekannter Autograph des Liedes „Wie die Zeit fliegt“ von Mendelssohn. Da konnte dann auch Masur nicht nein sagen.

Benefizkonzert für die Geschädigten der Hochwasserkatastrophe in Sachsen

Elisabeth Leonskaja, Klavier
Gewandhaus-Quartett

Felix Mendelssohn Bartholdy, Streichquartett op. 80
Frédéric Chopin, Nocturne Des-Dur op. 27,2 und Scherzo b-Moll op. 31
Robert Schumann, Klavierquintett op. 44

26. August 2002, Gewandhaus, Großer Saal

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