Singet! Hüpfet! Lose! Leise!

Das erste MDR-Matinéekonzert „Shakespeare in der Musik“ im Großen Saal des Gewandhauses

Die Konzerte des MDR sind für ihre unkonventionelle und abwechslungsreiche Programmgestaltung bekannt. Immer wieder stellen sie Altbewährtes gegen Neues, Wohlbekanntes gegen überraschende (Neu-)Entdeckungen und zwingen damit das Publikum, behaglichen Schlummer gegen waches Interesse einzutauschen. In seinem ersten Matinéekonzert der Saison 2002/2003 bleibt der MDR dieser Linie glücklicherweise treu: Musik aus drei Jahrhunderten, wie sie vielgestaltiger und bunter nicht sein könnte, zusammengehalten durch das rahmende Konzept „Shakespeare in der Musik“ – Konzerte „as we like it“!

Mit der effektvollen Ouvertüre zu Otto Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“ wurde der Shakespeare-Reigen eröffnet. Dirigent Howard Arman holte aus dieser klingenden Applaus-Garantie weit mehr heraus als bloßen Oberflächenglanz, wenn er diesem auch durchaus sein Recht ließ. Da wurden Strukturen durch Transparenz hörbar gemacht, wurde pompösem Tutti-Einerlei von Beginn an keine Chance gelassen. Vor allem aber gewann die Aufführung durch die große Spielfreude bei Orchester und Dirigent. Arman, dessen Herangehensweise man vielleicht mit „wenig Lärm um viel“ umschreiben könnte, nahm sich wie üblich wohltuend zurück und erwies sich (gerade deshalb?) einmal mehr als umsichtiger Sachwalter der Musik.

Ein besonderes Anliegen ist es Howard Arman, dem deutschen Konzertpublikum die Musik seiner englischen Landsleute nahezubringen, eine Musik, die hierzulande wirklich noch ihrer Entdeckung harrt. Mit der Aufführung von Händel-Oratorien sowie englischen Chorwerken des 19. Jahrhunderts ist dazu bereits ein guter Schritt getan. In diesem Konzert präsentierte Arman nun Ralph Vaughan Williams‘ „Serenade to Music“ und Ausschnitte aus Henry Purcells Halboper „The Fairy Queen“.

Nicht weniger als sechzehn Vokalsolisten erfordert die „Serenade to Music“. In ihr vertonte Vaughan Williams zu Ehren des britischen Stardirigenten Sir Henry Joseph Wood eine Szene aus Shakespeares „Kaufmann von Venedig“, in der es um die Wirkung der Musik geht, welche selbst als Abbild göttlicher Harmonie verstanden wird. Äußerst zart und zerbrechlich wirkt die Musik der „Serenade“, sowohl im filigran behandelten Orchester als auch bei Chor und Solisten, wie eine friedvolle Meditation über die Schönheit der Natur, der Musik ? und letztlich des Lebens. Arman besetzte die Solostimmen des Werks mit Mitgliedern des MDR-Chores. Es wäre wohl auch kaum möglich (und verhältnismäßig) gewesen, sechzehn Solisten für ein derart kurzes Werk auswärts einzukaufen. Außerdem: Die jeweils acht Damen und Herren boten durchweg respektable Leistungen und ließen erahnen, aus welch hervorragenden Einzelleistungen sich der berühmte Klang des MDR-Chores speist.

Es überraschte schon etwas, mit welcher Selbstverständlichkeit sich die barocke Opernmusik Henry Purcells in das Konzert einfügte. Ermöglicht wurde dieses durch die fast hemdsärmelige Unverkrampftheit, mit der Howard Arman sich ans Cembalo setzte, um von dort aus zu dirigieren (man stelle sich Herbert Blomstedt oder Riccardo Chailly dabei vor!), und durch das beeindruckende Umschalten der Spielweise auf „Barock“ seitens des Orchesters. Voller Witz und Esprit, dabei immer locker und durchsichtig war das Spiel des „MDR Barockorchesters“. So lebendig wünschte man sich manche Aufführung mit älterer Musik.

Der Clou des Konzerts war aber sicherlich die Gegenüberstellung von zwei deutschen „Sommernachtsträumen“, nämlich der bekannten Schauspielmusik Mendelssohn Bartholdys mit Hugo Wolfs „Elfenlied“. Letzteres ist ein munteres, spritziges kleines Werk. Garstig züngelnde Schlangen im Orchester und so manche summenden Käfer und webenden Spinnen – ganz zu schweigen von den lästigen Igeln und Molchen! – sind zu vertreiben (sehr gut darin: Chorsopranistin Antje Moldenhauer-Schrell), bis es endlich heißt: „Gute Nacht mit Eiapopei!“

Bei Mendelssohn stellt jene Elfenszene natürlich nur einen Ausschnitt aus der im ganzen recht umfangreichen Schauspielmusik dar, deren berühmtester Satz wohl der „Hochzeitsmarsch“ ist. Von der Ouvertüre angefangen, welche mit unzähligen orchestralen Fallstricken versehen ist, bis hin zum mit Chor und Solisten besetzten Finale konnte man eine kurzweilige Aufführung erleben, zwar mit kleineren Schwächen hier und da, aber auch mit glänzenden Leistungen (zum Beispiel die Flöte im „Scherzo“, die Fagotte im „Intermezzo“ oder die Hörner im wunderbaren „Notturno“). Dorothea Sprenger und Klaudia Zeiner, ebenfalls Damen des Chores, meisterten ihre Solopartien sehr überzeugend, wie auch der Chor, welcher akustisch allerdings etwas unterging.

Nach diesem gelungenen Konzerterlebnis blieb nur zu wünschen, dass Shakespeare darin unrecht haben möge, wenn er sagt: „Was süß schmeckt, wird oft bitter beim Verdauen.“ Zum Glück liegt Musik aber ja weitaus leichter im Magen, als zum Beispiel ein Stück Sachertorte..

1. MDR-Matinéekonzert: „Shakespeare in der Musik“

Otto Nicolai: Ouvertüre zu „Die lustigen Weiber von Windsor“
Ralph Vaughan Williams: Serenade to Music
Hugo Wolf: Elfenlied
Henry Purcell: The Fairy Queen (Ausschnitte)
Felix Mendelssohn Bartholdy: Musik zu „Ein Sommernachtstraum“ (Ausschnitte)

MDR Sinfonieorchester
MDR Rundfunkchor
Vokalsolisten
Leitung: Howard Arman

6.10.2002, Gewandhaus, Großer Saal

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