Havanna in Dakar

CD-Empfehlung: Orchestra Baobab, „Specialist In All Styles”

In Fragebögen wird oft gerne die Frage strapaziert, welche drei Dinge man auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Als 1989 das Album „Pirates Choice“ mit Songs aus dem Jahre 1983 herauskam, hatte sich das Orchestra Baobab bereits getrennt. Für die Musikkritiker war damals schnell klar: Diese CD gehört unbedingt in das Gepäck, wenn die Reise los geht. Nun gibt es frohe Kunde zu vermelden. Nach zwanzig Jahren Pause hat sich die Band wieder getroffen, um das Album „Specialist In All Styles“ einzuspielen. In der Zwischenzeit hatten sich einige Bandmitglieder schon fast völlig von der Musik verabschiedet. Rudy Gomis, der Kopf der Band, arbeitete als Sprachlehrer, Gitarrist Barthelemy Attisso als Anwalt in Togo. Nur Balla Sidibe trat noch mit Hotelbands auf.

Für sein Comeback hat sich das Orchestra Baobab erst einmal auf das beschränkt, was es beherrscht. So versammelt „Spezialist In All Styles“ alte Titel, die jetzt noch einmal neu aufgenommen wurden. Darunter „On Verra Ça“, das in den Siebziger Jahren zu einer Hymne in Westafrika avancierte. Die Redewendung verwendete Sekou Toure, der damalige Präsident Guineas, häufig, um seinen Reden zu beschließen. Mit „Specialist In All Styles“ schließen sich mehrere Kreise. An der Produktion war auch Youssou N’Dour beteiligt, der wohl bekannteste Sänger des Senegal Anfang der Achtziger Jahre, der mit seiner Band Super Etoile de Dakar den neuen „Mbalax-Sound“ kreierte. Dem hatten die arrivierten Stars aus dem Orchestra Baobab nicht viel entgegenzusetzen. Die Auflösung der Band war das Resultat.

Die Geburtsstunde des Orchestra Baobab war, als 1970 ein neuer Nachtklub in Dakar eröffnet wurde, der Treffpunkt für Politiker, Geschäftsleuten und Künstler sein sollte. Der Erfolg der Musiker hatte verschiedene Gründe. Einerseits ihre perfekte Kombination kubanischer Schlager mit lokalen Musiktraditionen. Zum anderen ihre unterschiedlichen ethnischen Identitäten, die sie für ein breites Publikum in Westafrika populär machten. Die alte koloniale Maxime „One tribe, one style“ wurde von den Akkorden weggespült. Bei der Suche nach einer afrikanischen Identität war die Musik unverzichtbar. Unterstützung gab es dabei von allerhöchster Stelle. Senegals Präsident Leopold Sedar Senghor war mit seiner Idee der Négritude intellektueller Vorreiter dieses Prozesses.

Nach der (Wieder-)Entdeckung der alten Männer des Buena Vista Social Club gelang dem Produzenten Nick Gold mit der Reunion des Orchestra Baobab ein weiteres Meisterstück. Die Stücke auf „Specialist In All Styles“ klingen beim ersten Hören sehr wenig afrikanisch. Zu offensichtlich scheinen die Parallelen zu ihren kubanischen Kollegen. Dem Verkauf dürfte auch der Gastauftritt von Ibrahim Ferrer („Hommage – Tonton Ferrer“) nicht schaden. Die Akkorde, die wie eine Meeresbrise daherkommen, sind genau das Richtige für den regnerischen Herbst. Trotzdem ist „Spezialist In All Styles“ eine wohltuende Abwechslung zu den Auswüchsen weichgespülten Ethno-Pops, der sich immer häufiger der Hitparaden bemächtigt.(Steffen Lehmann)

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