Eine Ausstellung widmet sich den Frauen in der Roten Armee der Sowjetunion
Zu den Eigentümlichkeiten der Militärgeschichte gehört es, dass sie sich maßgeblich auf den Heldenmut und das Geschick des männlichen Geschlechts gründet. Das auch Frauen in Kriegen aktiv gekämpft haben, gehört aber immer noch zu den Randnotizen der Geschichte. Dabei gibt es prominente Beispiele, die dieses Bild widerlegen. So hatten es die Amazonen des Königreichs Dahomey in Westafrika vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vor allem in dem nach Sensationen hungernden Europa zu einiger Berühmtheit gebracht. Ursprünglich als Palastwache gegründet, gab sie den Frauen eine bedeutsame Rolle im öffentlichen Leben des Staates. Die eigentlich Gründe für den Rückgriff auf die Frauen war aber viel profaner und lassen sich mit der geringen Bevölkerung Dahomeys erklären. Die aggressive Expansionspolitik Dahomeys ließ sich nur fortsetzen, weil alle zur Verfügung stehenden Ressourcen genutzt wurden.
Zwischen 1941 und 1945 dienten zwischen achthunderttausend und eine Million Frauen in der Roten Armee. Zwar setzten auch die Alliierten und die deutsche Wehrmacht Frauen ein. Auf Seiten der Roten Armee wurden die Frauen aber integraler Bestandteil einer kämpfenden Armee. Bis heute liegen kaum gesicherte Erkenntnisse über das soziale Umfeld, das Alter, Schulbildung und Beruf der Soldatinnen vor. Diesen Frauen widmet das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst nun eine Ausstellung. Ohne zu verschweigen, dass von russischer Seite wenig Bereitschaft bestanden hat, diesem Thema die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Auch die Zahl der gefallenen oder gefangengenommenen Soldatinnen ist noch unbekannt. Die Kriegserinnerung war vornehmlich Heldenerinnerung. Und diese war hauptsächlich auf die Männer fokussiert. Bis auf eine geringe Anzahl hoch dekorierter Pilotinnen, Scharfschützinnen oder Sanitäterinnen wurde kaum etwas über die überwiegende Mehrheit der weiblichen Soldaten bekannt. Die in der Ausstellung gezeigten Fotografien und Tagebuchnotizen vermitteln ein bedrückendes Bild vom Alltag der Frauen während des Krieges. Kaum auf die Belastungen vorbereitet, gingen die Arbeiten oft über die Grenze der physischen Belastbarkeit hinaus.
Die Wehrpflicht galt in der Sowjetunion ausschließlich für Männer. Nach dem Überfall der deutschen Truppen meldete sich aber eine wachsende Zahl von Frauen freiwillig zur Armee. Die meisten Frauen leisteten ihren Militärdienst beim Heer. Die Luftwaffe stellte drei Bomber- bzw. Jägerregimenter zusammen. Hingegen rekrutierte die Marine fast gar keine Soldatinnen. Vor allem die Scharfschützinnen, von der deutschen Propaganda-Maschinerie als „Flintenweiber“ stilisiert, fanden Eingang in das Bewusstsein der deutschen Soldaten. Der überwiegende Teil der Frauen diente als Sanitäterinnen. Oft in unmittelbarer Nähe zur Front, wo sie während der Gefechte die Verwundeten bergen mussten. Ohne das genaue Zahlen bekannt sind, lassen sich unter diesen Soldatinnen die größten Verluste vermuten.
Nach dem Krieg wurden die meisten Soldatinnen aus den Streitkräften entlassen. Oft auch gegen den Willen der Frauen. Damit war für viele der Krieg aber noch nicht zu Ende. Denn die Rückkehr in den Alltag und Wiederentdeckung der Weiblichkeit war keineswegs einfach. Viele Frauen verschwiegen ihre Kriegsteilnahme vor der Familie oder ihre Verwundung, um noch als Ehepartnerinnen attraktiv zu sein. Symptomatisch dafür ist der Bericht einer Veteranin aus den 1980er Jahren: „Was fangen wir jetzt mit dem zivilen Leben an? Die Freundinnen hatten schon die Hochschule hinter sich, und wer waren wir? Was hatten wir? Weder Beruf noch Erfahrungen. Dass einzige, was wir kannten und konnten, war der Krieg. Wir wollten ihn so schnell wie möglich loswerden, den Krieg. Als ich zum ersten Mal ein Kleid anzog, musste ich weinen. Ich erkannte mich nicht wieder – vier Jahre hatten wir in Männerunterhosen… Wem konnte ich sagen, dass ich verwundet war und an den Folgen einer Kontusion (Quetschung) litt? Sag das mal – wo findest du dann Arbeit?“ Beim Betrachten der Bilder drängt sich unwillkürlich ein Wort des Alt-Bundeskanzlers Kohl auf, der einmal von der „Gnade der späten Geburt“ gesprochen hat. Dem ist zweifellos so.
Mascha, Nina, Katjuscha. Frauen in der Roten Armee 1941 bis 1945
Katalog 15 Euro
Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst, bis 23. Februar 2003
Kommentar hinterlassen