Dialog mit der Vergangenheit

Das MDR Sinfonieorchester unter Martin Haselböck präsentiert Werke von Frank Martin, Mozart und Haydn

Einer derart herausragenden und berühmten Persönlichkeit der Musikgeschichte wie Wolfgang Amadeus Mozart musikalisch die Ehre zu erweisen, stellt für jeden modernen Komponisten eine große Herausforderung dar. Im Jahr 1956 (Mozarts 200. Geburtsjahr) nahm der Schweizer Komponist Frank Martin diese Herausforderung an und schrieb im Auftrag von Radio Genf seine Ouverture en Hommage – Mozart. Das kurze, etwas eigenwillige Werk verdient allein schon deshalb Interesse, weil Martin sich nicht in billigen Stilkopien ergeht oder sein Glück mit zusammengeklaubten Mozart-Zitaten versucht, sondern sich vielmehr bemüht, den der Musik Mozarts innewohnenden Geist mit eigenen musikalischen Mitteln zum Leben zu erwecken. Und tatsächlich fühlt man sich in mehrfacher Hinsicht an Mozart erinnert, z. B. im Hinblick auf die rhythmische Gestaltung und auf die Satztechnik. Die Ouvertüre enthält einen wunderbaren Andante-Mittelteil, der an die düsteren Seiten in Mozarts Leben gemahnt, und der vor allem durch subtil eingesetzte Holzbläserfarben besticht.

Nach dieser Ouvertüre, die durch das überzeugende, engagierte Spiel des MDR Sinfonieorchesters und durch Martin Haselböcks ungewöhnliche, aber effektive Dirigierweise einen gelungenen Auftakt der Matinée bildete, wurde das Programm folgerichtig mit einem Werk Mozarts fortgesetzt. Die für die Aufführung ausgewählte sog. „Pariser Sinfonie“ zeichnet sich durch eine reichhaltige, farbige Instrumentation aus. Die drei Sätze sind sehr abwechslungsreich gestaltet und nehmen jeder auf seine Weise für sich ein: der erste Satz durch die feinen motivischen Verästelungen, der zweite durch seine subtilen klanglichen Reize, der Finalsatz durch seine unbekümmerte Virtuosität, als ein intelligentes Spiel mit Kontrasten und polyphonen Elementen. Die Orchestermusiker präsentierten unter Martin Haselböcks Leitung einen unspektakulären, schlanken Mozart, den man sich nur stellenweise noch etwas frischer hätte vorstellen können.

Nach der Pause stand Frank Martins Cembalokonzert von 1952/53 auf dem Programm. Auf überaus geschickte Weise wird in dem zweisätzigen Werk der silbrige Klang des Cembalos in den Dienst einer spätromantischen Tonsprache gestellt. Das sparsam besetzte Orchester verträgt sich dabei bestens mit dem leisen, unaufdringlichen Klang des Soloinstruments. Cembalist Jory Vinikour begeisterte durch mühelose Virtuosität und künstlerische Intensität. Ob im Dialog mit dem Orchester oder in der ausgedehnten Solokadenz am Schluss: Vinikour zeigte stets Präsenz, bewies immer gestalterische Überlegenheit. Viel herzlicher Applaus war der Lohn dafür.

Nach dieser interessanten musikalischen Wiederentdeckung ging es mit Haydn zurück auf gewohntes Terrain. Seine Sinfonie Nr. 85 stellt das Publikum kaum vor Probleme. Sie bereitet ganz unmittelbar großes Vergnügen, und das auf intelligente, humorvolle Art. In ihrer Interpretation des originellen Werks gingen Orchester und Dirigent noch etwas weiter aus der Reserve als bei Mozart, hier sprang auch der letzte Funke über. Schöne Soli von Flöte und Fagott machten den Genuss perfekt.

Als besonders gelungener Einfall erwies es sich, als Zugabe denjenigen Satz zu bieten, den Mozart 1778 unter Druck als Ersatz für den ursprünglichen langsamen Satz der „Pariser Sinfonie“ komponiert hatte. Zum einen gab einem das die Möglichkeit zum unmittelbaren Vergleich der beiden Sätze, zum anderen wurde damit ein Bogen zurück zum Anfang des Konzerts geschlagen. Mozart als Anfang und Ende aller Musik, sozusagen.

3. MDR-Matinéekonzert

Frank Martin (1890-1974): Ouverture en Hommage ? Mozart
Wolfgang Amadeus Mozert: Sinfonie D-Dur KV 297 (300a) ?Pariser Sinfonie?
Frank Martin: Concert pour clavecin et orchestre
Joseph Haydn: Sinfonie B-Dur Hob. I:85 „La Reine“

MDR Sinfonieorchester
Solist: Jory Vinikour, Cembalo
Dirigent: Martin Haselböck

5. Januar 2003, Gewandhaus, Großer Saal

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