Begegnung in Wort und Musik

Eine anschauliche und lebendige Erinnerung an Hugo Wolff: mit Dietrich Fischer-Dieskau, Rezitation; Christian Elsner, Tenor; und Burkhard Kehring, Klavier

In diesem Jahr, genau gesagt am 22. Februar, jährt sich der Tod Hugo Wolfs zum 100. Mal. Es ist deshalb sehr zu begrüßen, wenn aus aktuellem Anlass an Leben und Werk des lange Zeit unterschätzten Komponisten erinnert wird. Am letzten Sonntag wurde im Mendelssohn-Saal des Gewandhauses sowohl des Menschen Hugo Wolf als auch seiner Musik gedacht: Dietrich Fischer-Dieskau trug Auszüge aus seiner Wolf-Biographie vor und warf damit einige Schlaglichter auf den ebenso interessanten wie tragischen Lebenslauf des Künstlers. Dazu stellten Christian Elsner und Burkhard Kehring zehn von Wolfs Mörike-Liedern vor und erwiesen damit dem Schaffen jenes Mannes die Ehre, der vielen als der „Vollender Schuberts“ gilt (was das Liedschaffen betrifft). Fünf der Mörike-Lieder gab es zu Beginn, fünf von ihnen am Ende des Abends zu hören, wodurch die Lesung sinnvoll eingerahmt wurde.

Ohne auch nur ein persönliches Wort an das Publikum zu richten, begann Dietrich Fischer-Dieskau mit der Lesung. Hierbei nutzte er seine nach wie vor großartigen gestalterischen Möglichkeiten, um den einzelnen Szenen Plastizität zu verleihen. Inhaltlich ließen die ausgewählten Passagen wenig Neues hören, vieles könnte man ebenso gut in einer Briefsammlung oder in einer der bereits vorhandenen Biographien nachlesen. Die Vorzüge des Buches liegen vermutlich auf anderem Gebiet; denn mag Fischer-Dieskaus Buch auch kein Meilenstein der Wolf-Forschung sein – wenigstens ist das der erste Eindruck -, so vermittelt es doch den Eindruck einer kenntnisreich verfassten, sprachlich souveränen Einführung, die in jedem Fall ihr Publikum finden wird.

Christian Elsner bewies bei seiner Interpretation der Wolf’schen Gesänge vor allem, dass er ein begnadeter Gestalter ist. Besonders in den humorvollen Liedern des zweiten Konzertteils schlug Elsners Vortrag komödiantische Funken, dass es eine Freude war. Wie er in „Zur Warnung“ die Katerstimmung nach einer langen, lustigen Nacht durchlitt oder mit diebischer Freude einem Rezensenten per Fußtritt den „Abschied“ gab, sorgte nicht nur für kollektive Erheiterung im Publikum, sondern korrigierte zugleich das etwas einseitige Bild des „ernsten“ Hugo Wolf. Diesen gab es natürlich auch zu hören. Während Elsner den „Feuerreiter“, einen Grenzfall der musikalischen Gattung „Lied“, im wahrsten Sinne des Wortes als ein flammendes Inferno gestaltete, ließ er bei den zarten, lyrischen Gesängen, wie zum Beispiel dem „Schlafenden Jesuskind“, etwas Feingefühl vermissen. Manches hätte noch leiser, noch schwebender klingen können.

Burkhard Kehring nahm seine Aufgabe als Begleiter sehr ernst. Ohnehin ist das Klavier bei Wolf viel mehr als eine bloße Unterstützung der Singstimme. Wolf verleiht ihm, zum Beispiel durch ausgedehnte Einleitungen und Epiloge, oft den Rang eines gleichberechtigten Partners. Kehring meisterte nicht nur die technischen Anforderungen mehr als anständig (wenn auch nicht ganz mühelos), er nutzte auch eine breite Palette an klanglichen Abstufungen und erzeugte so musikalische Bilder von ganz besonderem Reiz. Damit trug auch er in erheblichem Maß zum Gelingen eines Abends bei, der zeigte, wie anschaulich und lebendig an jemanden erinnert werden kann.

Lesung und Musik: Hugo-Wolf-Abend

Christian Elsner, Tenor
Burkhard Kehring, Klavier
Dietrich Fischer-Dieskau, Rezitation

19. Januar 2003, Mendelssohn-Saal des Gewandhauses

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.