Der Witz kommt auf leisen Pfoten

Der Nabel der Welt – Karicartoon 2003. Die Biennale der Satirischen Zeichnung. Stadtgeschichtliches Museum

Wie provoziert man am einfachsten einen Aufschrei der öffentlichen Meinung, wie bringt man die Kirche gegen sich auf und sich selbst in das Zentrum einer hitzigen Debatte des Feuilletons? Nun, man nehme sich eine prominente Person der Weltgeschichte hervor und zeichne ihr Leben in einer sehr unkonventionellen Art und Weise nach. So geschehen im Jahr des Herren 2001, als sich Gerhard Haderer des Leben des Heilands annahm und es einer Neubewertung aus der Perspektive seines Zeichenstifts unterzog. „Das Leben des Jesus“ schlug in Österreich wie die sprichwörtliche Bombe ein. Das katholische Establishment heulte getroffen auf, warf Haderer Blasphemie vor. Eilfertige Christenmenschen, getrieben von der Überzeugung ihren Glauben verteidigen zu müssen, ließen es sich nicht nehmen, sogar Morddrohungen auszusprechen.

Gerhard Haderer mit vier Arbeiten bei der Karicartoon vertreten, muss in Leipzig keine wütenden Demonstranten vor dem Alten Rathaus fürchten. Das soll aber nicht heißen, dass seine Zeichnungen lammfromm sind und keine wichtigen Themen anschneiden. Da sind die riesigen Überkapazitäten von Fleisch, die Haderers Besuchergruppe auf einem Fleischberg freudig bemerken lassen, dass man sogar die Hungergebiete in Zentralafrika sehen könne. Oder die beiden Herren von der Staatsicherheit, die in der Hölle neidisch auf Otto Schilys Entwurf eines Ausweises mit Fingerabdruck und anderen biometrischen Kennzeichen blicken.

Wer von der Biennale nur Komisches erwartet, dem wird mehr als einmal das Lachen vergehen. Mehr als manch aufrüttelnder Text bringen die Zeichnungen Themen auf den Punkt, können sie mit Eigenarten der Mächtigen spielen und sie der Komik – nicht der Lächerlichkeit – preisgeben. Da lässt Beck seine mit einer Burka verhüllte Kundin ein Buch aus der Mitte eines Stapels ziehen. Ein Stapel mit einem New York Buch.

Da erfindet Burkhard Fritsch das Mikado als sensibelstes Erdbebenfrühwarnsystem quasi neu, da sollen amerikanische jugendliche Amokschützen zu belgischen Kinderschändern gebracht werden. Manches ist schon arg zynisch. Aber wenn ein Adolf Hitler wegen seines kümmerlichen Schnauzers von den Taliban 50 Peitschenhiebe verabreicht bekommt, dann werden zwei Ideologien in ihrer Beschränktheit gezeigt, wie es kein Schulbuch kann. Brillant auch seine Persiflage auf die Quizshowflut im deutschen Fernsehen. So meint ein Prälat auf die Frage, ob die Erde eine Scheibe sei, sehnsuchtsvoll, dafür habe es früher den Scheiterhaufen gegeben. Nun geistert seit einigen Tagen eine merkwürdige Debatte über die Zulässigkeit von Schmerzen bei polizeilichen Verhören durchs Land. Aber die Idee, allzu dummdreiste Moderatoren und bereits zu Superstars ausgerufene Ich-kann-singen-Jugendliche in die schmerzenden Geheimnisse fernöstlicher Kampftechniken einzuführen, entbehrt nicht eines gewissen Charmes…

Manches wirkt zu bieder, wo mit Klischees versucht wird, Witz zu versprühen. Wie bei einer Zeichnung von Franziska Becker, die ihre spirituell angehauchte Heldin durch mehrere Bilder schickt. Charismatraining, Schamanenworkshop, Bodyreading. Schöne Worte, nur eine Garantie zum Lachen ist das noch nicht. Auch Christine Dölles Tatoo-Allegorie auf die Krampfadern einer rüstigen Dame ist ziemlich altbacken. Trotzdem, die Karicartoon bietet eine Menge Kurzweil für denjenigen, der sich auf den oftmals subtilen Witz der Zeichnungen einlässt.

Der Nabel der Welt – Karicartoon 2003. Die Biennale der Satirischen Zeichnung.

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, bis zum 18. Mai

Katalog 19,50 Euro

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