Verbeugung vor den kleinen Pretiosen

Jürnjakob Timm und Rolf-Dieter Arens mit Kammermusik von Beethoven, Prokofjew, Schumann und Brahms im Mendelssohn-Saal

Am Schluss einer Beethoven-Woche, die von der „Missa Solemnis“ geprägt war und von Frank-Michael Erbens Aufführung der Violinsonaten, wählten Jürnjakob Timm und Rolf-Dieter Arens mit den Variationen zu Mozarts „Zauberflöte“ einen weniger bekannten Seitenpfad im Repertoire Beethovens. Im September 1791 uraufgeführt, hatte Mozarts Oper ungeahnten Erfolg beim Wiener Publikum. Besonders Papagenos Lied „Der Vogelfänger bin ich ja“ und die Arie „Ein Mädchen oder Weibchen“ avancierten zu Ohrwürmern. Den Nachhall dieses Erfolges spürte auch Beethoven noch, als er in die Stadt an der Donau kam. Die Bearbeitungen bekannter Opern waren damals ein beliebtes Genre und Beethoven nicht der einzige, der sich darin versuchte. Papagenos sehnlichster Wunsch ist, „ein Mädchen oder Weibchen“ zu finden, die ihm eine treue Gefährtin sei. Und so lässt er nichts unversucht, die holde Damenwelt mit seinem Glockenspiel zu bezirzen. Die beiden Solisten schafften es mit sanftem Druck auf die Saiten (Timm) und gefühlvollem Anschlag (Arens), Papagenos Sehnsüchte in den Mendelssohn-Saal aufsteigen zu lassen. Ein leichter, beschwingter Auftakt, der leider allzu schnell verklang und des Vogelfängers Glöckchen leise zum Verstummen brachte.

Wesentlich ernsthafter ging es bei Prokofjews Sonate für Violoncello und Klavier zu. 1949 dem Cellisten Mstislaw Rostropowitsch gewidmet, erlegt sie dem Violoncellisten etliche Schwierigkeiten auf, die erst einmal überwunden werden mussten, bevor das Werk seine Uraufführung erleben konnte. Prokofjew hatte besonders unter der Politik Stalins zu leiden, und seine Werke wurde besonders argwöhnisch begutachtet, ob sie sich nicht revanchistischer Tendenzen schuldig gemacht hätten. Prokofjew schrieb sogar einen öffentlichen Brief, in dem er sich für seine „formalistischen Verfehlungen“ entschuldigte und sich verpflichtete, einen Stil zu finden, der dem Volk verständlich sei. Gleich zu Beginn ließ das Violoncello lyrisch dunkle Akkorde erklingen, war die Schwermut fasst zu greifen. Wie das Aufbrechen des Eises nach dem Winter klang das Cello. Nur ab und zu konnte das Klavier zu ein paar Aufmunterungen überredet werden. Und am Ende überwogen die lyrischen Momente, mit denen die Sonate schon begonnen hatte. In der Schlichtheit des Mittelsatzes fanden Timm und Arens die Akkorde, um sie mit bewundernswerter Verve und Leidenschaft zum Leben zu erwecken.

Nach der Pause ging es dann mit Schumanns Adagio und Allegro wieder temperamentvoller zu. Nach einer überwundenen Krise stürzte sich Schumann in seiner Dresdner Zeit auf die Arbeit und komponierte fast ein Drittel seines Gesamtwerkes. Die Lebendigkeit und Frische des Adagio und Allegro zog schon Clara Schumann in ihren Bann, als sie in ihr Tagebuch schrieb: „Das Stück ist prächtig, frisch und leidenschaftlich, so wie ich es gern habe“ Soviel des Temperaments konnte und wollte sich auch die Sonate von Brahms nicht verschließen. Fast schien es, als wolle der letzte Ton nur wiederstrebend verklingen. Aber die beiden Solisten hatten ein Einsehen und beugten sich der Widerspenstigkeit und dem Beifall des Publikums und spielten zum Abschluss des kurzweiligen Abends noch eine Zugabe.

Ludwig van Beethoven: Zwölf Variationen über ?Ein Mädchen oder Weibchen? aus Mozarts ?Zauberflöte? F-Dur op. 66 für Klavier und Violoncello
Sergej Prokofjew: Sonate C-Dur op. 119 für Violoncello und Klavier
Robert Schumann: Adagio und Allegro op. 70 für Violoncello und Klavier
Johannes Brahms: Sonate e-Moll op. 38 Violoncello und Klavier

Jürnjakob Timm, Violoncello
Rolf-Dieter Arens, Klavier

9. März 2003 Gewandhaus, Mendelssohn-Saal

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