Kleiner Aufwand – große Wirkung

Requiem von Manfred Trojahn mit Chor und Orchester des MDR unter Howard Arman zum Karfreitag

Es ist ein überschaubarer Kreis von Musikfreunden, der sich am heutigen Karfreitag im großen Gewandhaussaal zusammengefunden hat, um der Aufführung des eigens für diese Aufführung überarbeiteten Requiems von Manfred Trojahn beizuwohnen und damit eine Gelegenheit zu ergreifen, die sich so bald kaum wieder bieten wird. Vor Konzertbeginn tritt Howard Arman zunächst allein vor das Publikum, um es auf die lange Tradition der Requiemkomposition hinzuweisen und um sich bei dieser Gelegenheit für die kurze Dauer des Konzerts (nicht einmal eine volle Stunde) im Voraus zu entschuldigen. Augenzwinkernd tröstet er all diejenigen, welche sich um wertvolle Konzertminuten betrogen sehen mögen, mit dem Hinweis, dass Trojahns Requiem genauso viele Noten enthalte wie manches längere Konzertprogramm, diese nur eben in dichterer Folge…

Trojahn verzichtet in seinem Requiem auf einen übermäßigen Orchesterapparat und begnügt sich mit einer kammermusikalischen Besetzung. Mit diesem Ensemble geht Trojahn sehr flexibel um, indem er das klangliche Spektrum von vielfältigen Soli über die Kombination einzelner Instrumentengruppen bis hin zum Einsatz des vollen Orchesters kompositorisch in seiner ganzen Breite ausnutzt. Exotismen sind eher sparsam eingesetzt und beschränken sich auf das Schlagwerk, wo zum Beispiel Crotales (kleine Becken) zum Einsatz kommen. Auffällig, was den Orchesterklang betrifft, ist vor allem das völlige Fehlen der Violinen, also der höchsten Streicher. Diesem Umstand entspricht die Bevorzugung tiefer Lagen in den verschiedensten Instrumentengruppen. Dieses tief disponierte Orchester kombiniert Trojahn nun mit einem Chor und drei Vokalsolisten, welche zum großen Teil besonders hoch registriert sind. Dadurch ergibt sich ein Klang der Extreme, welcher die Mittellage weitgehend ausspart.

Die zurückhaltende Orchestrierung findet ihr Pendant in einer Kompositionsweise, welche auf äußerliche Effekte fast durchgängig verzichtet. Trojahns Musik verschreckt den Hörer nicht, aber sie biedert sich auch nicht bei ihm an. Sie bezieht ihre große emotionale Eindringlichkeit nicht aus sentimentalen Wendungen, sondern aus teilweise fast abstrakten Gebilden, die durch ihre kristalline Klarheit ein faszinierendes Gefühl von Transzendenz erzeugen (wie zum Teil bei Bartók oder Strawinsky, dem der letzte Satz des Requiems auch gewidmet ist). Einfachheit ist ein wesentliches Merkmal dieser Musik. So ist die Chorpartie meistens homophon geführt und auch im Orchester dominieren Klangflächen über Liniendenken, von den melodiösen Soli einmal abgesehen. Das „Dies irae“ verlässt in drastischer Weise die sonst meist vorherrschende kontemplative Ruhe und hebt sich dadurch deutlich von den übrigen Teilen des Requiems ab.

Trojahn vertraut auf den überlieferten Text der lateinischen Totenmesse und verzichtet zum Glück auf jenes metaphysische Geschwafel, das so oft die Programmhefte füllt, um über einen Mangel an musikalischer Substanz hinwegzutäuschen. Stattdessen überlässt er das Publikum seinen eigenen Assoziationen, und tatsächlich entstehen diese ganz von selbst. Ohne irgendwelche eingleisigen programmatischen Vorgaben, nur von der Musik hervorgebracht.

Am Ende ist der Beifall groß, und er gebührt neben der hörenswerten Komposition natürlich vor allem den exzellenten Vokalsolisten sowie den Musikern des MDR. Hervorragende Soli von Oboe, Fagott, Trompete etc. im Orchester und ein hervorragend aufgelegter MDR Rundfunkchor rechtfertigen diesen enormen Zuspruch voll und ganz. Howard Arman kann zufrieden sein: Sein engagiertes Dirigat hat die erhofften Früchte getragen, und das ohne nennenswerte Abstriche. Dass die offenbar eigens angereiste englischsprachige Bekanntschaft der kanadischen Sopranistin Amelia Watkins am Ende aufspringt und wilde „Brava!“-Rufe durch den Saal schallen lässt, erscheint dann aber doch etwas unangemessen, wenn nicht sogar very albern.

Manfred Trojahn (geb. 1949):
Requiem für Soli, Chor und Kammerorchester (Fassung 2003)

MDR Sinfonieorchester
MDR Rundfunkchor

Amelia Watkins, Sopran
Frances Pappas, Mezzosopran
Matteo de Monti, Bariton

Leitung: Howard Arman

18. April 2003, Gewandhaus, Großer Saal

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