Gelungener Abschluss

Alexander Meinel und Frank-Michael Erben präsentieren Beethovens sämtliche Violinsonaten im Mendelssohn-Saal

Beethovens Sonaten für Klavier und Violine stellen hohe, wenn nicht höchste Anforderungen an Technik und Gestaltungskraft der ausführenden Musiker. Frank-Michael Erben und Alexander Meinel haben sich der Herausforderung gestellt, alle zehn der anspruchsvollen Violinsonaten in einer einzigen Saison aufzuführen. Inzwischen sind bereits sieben von ihnen im Gohliser Schlösschen und im Mendelssohn-Haus erklungen. Im abschließenden Konzert ihres Beethoven-Zyklus, das im ausverkauften Mendelssohn-Saal des Gewandhauses stattfindet, steht neben den Sonaten op. 12 Nr. 3 und op. 30 Nr. 3 auch die berühmt-berüchtigte „Kreutzersonate“ auf dem Programm, ein ebenso beliebtes wie anspruchsvolles Werk, das nicht nur in Beethovens Schaffen seinesgleichen sucht. Anders als im Programmheft vermerkt, handelt es sich aber nicht um Beethovens letzte Violinsonate, sondern um die vorletzte. Mit der Sonate op. 96 lieferte Beethoven einige Jahre später dann noch einmal einen gewichtigen Beitrag in dieser Besetzung.

Erben realisiert den leidenschaftlich-extrovertierten Violinpart der „Kreutzersonate“ mit kompromissloser Hingabe und nimmt mehr als einmal leichte Unsauberkeiten in Kauf, wenn es dem Ausdruck dient. Vor allem im ersten Satz mit seinem ständigen Schwanken von einem Extrem zum nächsten setzen Erben und Meinel nahezu ungebändigte Energiereserven frei, die sich kaum einmal erschöpfen. Dabei kann das Zusammenspiel von Violine und Klavier, selbst in den komplizierteren Momenten, nur als mustergültig bezeichnet werden. Im zweiten Satz kehrt dann ein wenig Ruhe ein. Im Verlauf seiner abwechslungsreichen Variationen wird den Musikern reichlich Gelegenheit geboten, ihre Fähigkeit zu klanglicher und gestalterischer Differenzierung unter Beweis zu stellen. Erben und Meinel bleiben diesem eigentümlichen Satz ebenso wenig schuldig wie dem abschließenden Presto, dessen virtuose Klippen sie meisterlich umschiffen. Überraschend ist das hohe künstlerische Niveau der Aufführung insofern nicht, als das Duo bereits im ersten Teil des Konzerts Hervorragendes geleistet hat.

Die Violinsonate op. 12 Nr. 3 bildet das letzte Werk einer Gruppe von Violinsonaten, die Antonio Salieri gewidmet sind. Mag in dieser Zueignung auch eine Orientierung an überkommenen Formmodellen anklingen, so verließ Beethoven doch bereits in dieser frühen Sonate weitgehend die traditionellen Bahnen, was sich vor allem im konzertanten Zuschnitt und der großen Ernsthaftigkeit des Werks äußert. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen, scheint die Sonate op. 12 Nr. 3 bereits eher in den Konzertsaal als in den Umkreis der Hausmusik zu passen. Die nachfolgenden zwei Sonaten besitzen denn auch bereits einzelne Opuszahlen, woran sich deutlich ihre gesteigerte Individualität ablesen lässt. Frank-Michael Erben und Alexander Meinel verdeutlichen aufs Schönste die unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Sätze: Dem ersten Satz lassen sie seine Tendenz zur Zerrissenheit und Bizarrerie, den zweiten gestalten sie mit kleinen Gesten und großem Ausdruck zum gesanglichen Intermezzo, bevor dann im Finalsatz die musikantische Spielfreude dominiert.

Beethovens Opus 30 fasst nach den Einzelwerken op. 23 und op. 24 wieder drei Sonaten unter einer Nummer zusammen; allerdings handelt es sich bei den einzelnen Werken um sehr unterschiedliche und völlig selbständige Kompositionen. Gemeinsam ist ihnen allenfalls der Widmungsträger, Zar Alexander I. von Russland. Die letzte Sonate der Gruppe, op. 30 Nr. 3, besticht durch ihre tänzerische Unbeschwertheit, die kaum einmal aufgegeben wird. Erben und Meinel spielen diese Heiterkeit vorbehaltlos aus, wodurch die gelegentlichen Eintrübungen umso eindringlicher wirken. Damit bildet auch diese Sonate einen wesentlichen Bestandteil in Erbens und Meinels Beethoven-Zyklus, der an diesem Abend einen beeindruckenden Abschluss erfahren hat.

Ludwig van Beethoven:

Violinsonaten op.12 Nr. 3, op. 30 Nr. 3, op. 47 (?Kreutzersonate?)

Frank-Michael Erben, Violine
Alexander Meinel, Klavier

27. April 2003, Gewandhaus, Mendelssohn-Saal

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