Tanz & FolkFest Rudolstadt (Nico Thom)

Tanz & FolkFest Rudolstadt 2003
4. bis 6. Juli, Rudolstadt
(Fotos: Jenny Lagaude)

TFF – Tage Folkstümlichen Frohsinns

Was haben ein graubärtiger Altachtundsechziger aus Göttingen, eine zeltplatzerprobte Großfamilie aus Rostock und ein Ethnologie-Student aus Halle gemein? – Sie pilgern jedes Jahr Anfang Juli gen Rudolstadt zum Tanz & FolkFest. Das ist im 13. Jahr angekommen; und hat einen neuen Namen: TFF.Rudolstadt – The German Ethno Roots Fusion Dance & Music Festival. Wer hätte 1991 zu träumen gewagt, daß es sich zum größten und vielseitigsten Folklore-Festival Deutschlands entwickeln würde, das mittlerweile im europäischen Vergleich zu den renommiertesten zählt. Voraussetzungen dafür waren jedenfalls gegeben: seit 1955 fanden in der thüringischen Stadt an der Saale die Rudolstädter Tanzfeste statt; damals eher biedere Kulturveranstaltungen mit Gästen aus dem sozialistischen Ausland.

Heute spielen circa 80 Bands aus der ganzen Welt über 3 Tage verteilt auf 20 Bühnen. Unzählige Gaukler, Straßenmusiker, Clowns, Tänzer und Seminarleiter ergänzen das kreative Aufgebot. Zudem gibt es die leckersten Speisen und Getränke aus aller Herren Länder. An liebevoll gestalteten Ständen werden Schmuck, Duftutensilien, Gewänder, Spielwaren, Tücher, Taschen, Holzwaren, Platten und historische sowie außereuropäische Instrumente feilgeboten. Für Kinder gibt es riesige Spielwiesen, Bastelstraßen und Trommelkurse. Die Veranstaltungen sind über die gesamte Stadt verteilt: das Theater, der Park, die Kirche, der Marktplatz und die ortseigene Burg werden zu Schauplätzen und Konzerträumen umfunktioniert. Der Besucher hat die Möglichkeit, je nach Vorliebe, wilde Volkstänze, intime Kammerkonzerte, Ethno-Shows, Tanzkurse oder Workshops aufzusuchen.

Das bunte Treiben ist perfekt durchorganisiert. Die vielen Mitarbeiter und Helfer des TFF agieren sozusagen inkognito und sorgen für einen reibungslosen Ablauf – bei der Größe des Festivals ein logistischer Kraftakt. Aber der Aufwand ist nötig bei gut 60 000 Festivalbesuchern.

Bands und Tanzformationen sind nicht willkürlich ausgewählt. Jedes Jahr gibt es Themenschwerpunkte: ein Instrument, ein Land, eine Region, ein Tanz. Dieses Jahr steht die Marimba als ?magisches Instrument?, Kanada als ?Länderschwerpunkt?, Berlin als ?Focus Regional? und Salsa als der ?Tanz des Jahres? auf dem Programm, sowie die Vergabe der ?Ruth?.

Schon seit 1992 wird im Rahmen des TFF der Deutsche FolkFörder Preis vergeben. In den letzten beiden Jahren wurde dessen Konzeption generalüberholt, mit dem Ergebnis, daß 2003 zum ersten Mal die sogenannte ?Ruth? in den Kategorien ?Deutsche Roots?, ?Globale Roots?, ?Newcomer? und ?Ehren-Ruth? ausgelobt wird. Preisträger sind: der deutsche Sänger Wenzel (Deutsche Roots), die mongolische Sängerin Urna (Globale Roots), der Iraner Mohammad Reza Mortazavi (Newcomer) – ein Domak-Spieler (orientalische Trommel), und Achim Bergmann mit seinem Musiklabel Trikont (Ehren-Ruth).

Das breite künstlerische Spektrum des TFF 2003 kann nur angedeutet werden… Man stelle sich vor, an drei aufeinanderfolgenden Tagen (vier mit Eröffnungskonzert) Country aus Amerika (Calexico), Folkjazz von den Färöer Inseln (Yggdrasil), Popmusik aus Brasilien (DJ Dolores & Orchestra Santa Massa), Folksongs und Balladen aus Norwegen (Halvorsen & Bruvoll), Ska-Punk-Reggae aus der Ukraine (Haydamaky), karibischen Soul-Calypso aus Surinam (Yakki Famirie), Clubbeats aus Kanada (DJ Koala), Chansonfolk aus Belgien (Ambrozijn), Lieder aus Serbien (Moba), Rap aus dem Senegal (Pee Froiss), Alpen-Rock aus Österreich (Hubert von Goisern) und Samba aus Indonesien (Samba Sunda) … zu hören, und exotische Instrumente wie das Txalaparta (Ttukunak), das Balafon (Mamadou Diabate), die Ferrimba (Peter Andreas & das Stahlorchester), oder gar die Nasenflöte (Original Oberkreuzberger Nasenflötenorchester: Der Grindchor) zu vernehmen. Man stelle sich weiterhin vor, an Tänzen von den Osterinseln (Matato’a), aus Thüringen (Thüringer Folkloretanzensemble), Albanien (Arbana) und Schweden (Virvla) zu partizipieren.

Wenn man sich dann noch vorstellt, unter fröhlich-friedlichen Menschen zu verweilen, die es genießen, dem kommerzialisierten, vereinheitlichten Alltag zu entfliehen und die kulturelle Pluralität zu zelebrieren, dann hat man einen Eindruck vom Ambiente des TFF.Rudolstadt 2003 und verspürt vielleicht den Wunsch, im nächsten Jahr selbst dabei zu sein.

(Nico Thom)

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