Den Stempel des Wahren aufdrücken

Ausstellung: Ilja Repin. Auf der Suche nach Russland. Saarland Museum, Saarbrücken

„Alles was mich umgibt, erregt mich in höchstem Maße, gibt mir keine Ruhe und fordert einfach, gemalt zu werden; die Wirklichkeit ist viel zu empörend, um mit ruhigem Gewissen wie ein gesticktes Muster dargestellt zu werden.“ Diese Zeilen schrieb Repin (1844-1930) in einem Brief vom November 1883. Sie können als das Fundament angesehen werden, auf dem Repins Werk fußt. Anders ist ein Bild wie die „Wolgatreidler“ (1874) nicht möglich, das Repin im Alter von 30 Jahren malte. In der Saarbrücker Ausstellung, die jetzt zum ersten Mal Repins Schaffen in Deutschland vorstellt, sind ?nur? eine Skizze, zwei Studien und eine Variante der Treidler zu sehen. Um eine der Ikonen des russischen Impressionismus sehen zu wollen, muss der Betrachter sich nach St. Petersburg in das Russische Museum begeben.

Repins Wirken umspannt einen weiten Bogen, der in der Ausstellung eindrucksvoll beleuchtet wird: Angefangen von den Wolga-Bildern, den Bildnissen von Weggefährten wie Leo Tolstoi bis hin zu den Porträts der zaristischen Oberschicht und den monumentalen Gemälden, die heute Wegmarken der russischen Geschichte sind. Schon früh machte Repin in der russischen Kunstszene auf sich aufmerksam. Für seine Abschlussarbeit – die „Auferweckung der Tochter des Jairus“ – an der Akademie der Künste in St. Petersburg erhielt er die „Große Goldmedaille“. Das Bild wurde als die beste Abschlussarbeit aller Zeiten gerühmt.

Mit einem Stipendium reiste er nach Westeuropa, wo er sich für zwei Jahre in Paris niederließ. Seinen Aufenthalt brach er 1876 vorzeitig und desillusioniert ab, nachdem zwei seiner Bilder weitgehend unbeachtet blieben. „Alles was ich hier geschaffen habe, ist farblos“, schreibt Repin in einem Brief. Gleichzeitig breitet er schon das Thema seiner zukünftigen Arbeit vor sich aus: „Das Unsrige sollte auf heimischen Boden studiert werden“. Konsequent in der Umsetzung dieser Idee schloss sich Repin nach seiner Rückkehr der „Genossenschaft der Wanderer“ an, welche die russische Landschaft und das Leben auf dem Land in Bildern festhielt und sich für alternative Kunstzentren abseits von Moskau und St. Petersburg stark machte.

Die 60 Gemälde und etwa 40 Zeichnungen und Aquarelle zeigen einen Künstler, der nicht nur vielfältig, sondern auch sehr ambivalent in seiner Existenz als Künstler war. In seinen Bildern widmete sich Repin zwar oft und einfühlsam den schwierigen Lebensumständen der Bevölkerung, der politischen Verwerfung des Zarenregimes und den Ideen der Revolutionäre verschloss er sich aber. Sein Landsitz gehörte nach der Oktoberrevolution zu Finnland. Dort lebend wahrte er Distanz zu den politischen Umwälzungen in seiner Heimat. Die Bilder zeigen einen Maler, der seine Zeit mit wachen Augen begleitete und die viel gepriesene russische Seele auf die Leinwand bannte, der aber auch einflussreiche Militärs, Staatsräte und Künstler wie Tolstoi, Mussorgski oder Turgenjew malte und sich seiner Rolle im Kunstbetrieb der damaligen Zeit durchaus bewusst war.

Eine hymnische Rezension auf die „Wolgatreidler“ attestierte Repin, echte russische Kerle zu malen und dem Kunstwerk einen „Stempel des Wahren“ aufzudrücken. Repin selbst sah sich viel bodenständiger. Er wollte nur seine Sicht auf den Alltag wiedergeben und entgegen der zeitgenössischen Praxis die Abbildung des alltäglichen Lebens nicht mit einem idealisierten Schönheitsideal verwässern. Schließlich ging es ihm um die Wiedergabe der „lebendigen Wahrheit des Ganzen“. Die Suche nach diesem „Stempel des Wahren“ in Bildern wie „Unerwartet“ oder das vor Widerspenstigkeit berstende „Saporosher Kosaken schreiben einen Brief an den türkischen Sultan“ hinterläßt im Betrachter einprägsame Momente.

Ausstellung: Ilja Repin: Auf der Suche nach Russland

bis zum 3. August, Saarland Museum, Saarbrücken

Danach vom 15. August bis 2. November in Berlin

Katalog 29,90 Euro


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