Goldig – die fünfte Leipziger Museumsnacht

Museen im Goldrausch – Impressionen von der 5. Leipziger Nachtschicht

Als das Thema der dieses Jahr zum 5. Mal veranstalteten Leipziger Museumsnacht feststand, dürfte die Begeisterung in den beteiligten Museen von recht unterschiedlichem Ausmaß gewesen sein. Das Thema war nämlich: Gold, und da es ein Thema gab, musste den Museen auch daran gelegen sein, dieses auf eine für die Besucher interessante und für das Museum typische Art und Weise umzusetzen. Gefreut haben dürfte sich zum Beispiel das Ägyptische Museum – es kann nicht allzu problematisch gewesen sein, eine Verbindung herzustellen zwischen den Exponaten und dem Thema Gold. Auf der anderen Seite ist anzunehmen, dass zum Beispiel das Deutsche Kleingärtnermuseum vor einigen Schwierigkeiten stand: Da es wahrscheinlich nicht besonders oft vorkommt, dass ein Kleingärtner beim Umgraben seines Möhrenbeetes auf einen Goldschatz stößt, war Einfallsreichtum gefragt – das Museum lockte am Samstag mit „Goldenen Gartenregeln“ und „beschwingten Melodien aus goldenen Kehlen vom Schrebergartenchor“.

41 Museen und Sammlungen beteiligten sich dieses Jahr an der Nachtschicht, und dementsprechend schwer fiel es, sich bei dieser Auswahl auf einige Stationen zu beschränken. Ein Anspruch auf Vollständigkeit konnte natürlich nicht erhoben werden, aber einen Eindruck von der Vielseitigkeit des Leipziger Goldes bekam man auf alle Fälle. Einer der zahllosen möglichen Wege durch die Museumsnacht hier im Protokoll:

19:30 Uhr, Alte Handelsbörse Leipzig, Naschmarkt
Der ideale Einstieg: Die Herren des MDR-Rundfunkchores im stilvollen Ambiente der Alten Handelsbörse mit Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Volks- und Kunstliedern. In der Anmoderation gleich zahlreiche Anspielungen auf das Thema der Museumsnacht: Die „zahlreichen Goldapplikationen“ der Handelsbörse, das „Gold in den Kehlen“ der singenden Herren – das Publikum schmunzelt, aber immerhin wird dem Motto der Nacht Tribut gezollt. Eine gute Viertelstunde singen nun die Herren unter der Leitung von Howard Arman beschwingte Jagd- und Wanderlieder, die zahlreich erschienenen Zuhörer genießen’s, aber dann muss die Bühne geräumt werden für das um 20 Uhr beginnende Radio Café, und auch der Chor muss weiter zum nächsten Auftritt im Rahmen der Nachtschicht.

20 Uhr, Museum für Kunsthandwerk, Grassi-Museum im Interim, Neumarkt 20
Vor dem Eingang steht ein Plattenspieler, „Musik der Goldenen Zwanziger“ erklingt von alten Schellackplatten, auch eine Pantomime-Performance („Reden ist Silber, …“) wird geboten. Besonders interessant ist aber die Veranstaltung „Wie kommt das Gold auf den Einband der Bücher?“. Eine der Fragen also, die man sich zwar selten stellt, aber bisher nie beantworten konnte; so lohnt sich der Besuch des einstündigen Vortrags inklusive zahlreicher Live-Demonstrationen allein schon, um mit dem dort erworbenen Exklusiv-Wissen vielleicht einmal bei „Wer wird Millionär?“ brillieren zu können. Fileten, Stempel, Klotzpressen, Marderhaarpinsel, hauchdünne Goldfolien und anderes Handwerkszeug wird vorgeführt, vom Blinddruck bis zum fertigen Goldmuster auf dem Buchdeckel und dem Goldschnitt können die etwa 15 Besucher das Procedere genau verfolgen. Eine Dame aus dem Publikum erzählt zwischendurch von ihrem „so um 1870 geborenen Nachbarn“, der als Leipziger Buchbinder ab und zu Besuch vom König bekam, „weil der ihm so gerne beim Vergolden der Bücher zuschaute“, ein anderer Gast berichtet von seinen Erfahrungen bei der Erforschung von unterschiedlichen Goldlegierungen auf Bucheinbänden. Dann, gegen 21 Uhr, entlässt die Buchbinderin ihre Zuhörer – bestimmt werden einige ihre alten ledergebundenen und goldverzierten Bücher zu Hause nun mit anderen Augen sehen.

21:10 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig, Grimmaische Straße 6
Eine Stippvisite im „ZeiGeFo“, für die nähere Betrachtung der derzeitigen Ausstellung ist heute leider keine Zeit. Dafür lohnt es sich durchaus, einige Minuten den QUIZOOLA-Performern des Schauspiels Leipzig zuzuschauen, die ihre Show zwischen den Exponaten präsentieren. Nebenan werden Kurzfilme gezeigt, die tschechische Jazz-Band Polydor-Sextet liefert den passenden Soundtrack. Aber Gold? Doch, auch das Zeitgeschichtliche Forum hat das Thema nicht verfehlt: In einer kleinen Vitrine funkelt, betitelt „Vergoldeter Blick?“, Walter Ulbrichts Goldbrille mit entsprechendem Beweisfoto darüber.

22:00 Uhr, Sammlung Sächsisches Psychiatriemuseum, Mainzer Straße 7
Nach 20-minütiger Fahrt mit einem der eigens für die Museumsnacht eingesetzten Busshuttles (es gibt vier Linien, die auf vier Routen die etwas außerhalb gelegenen Museen ansteuern) im Psychiatrie-Museum: In Kooperation mit der IG pop bringt das Museum die „Musikarchitekten“ von Dead Fish Audio auf die Bühne, in der ersten Etage kann man sich die Psychiatriegeschichte zu Gemüte führen. Was es mit der für 23 Uhr angekündigten Preisverleihung der „Goldenen Meise 2004“ an diesem Ort auf sich hat, bleibt ungewiss; dafür aber beeindruckt ein gigantisches Feuerwerk, das sich vom Psychiatriemuseum aus bestens beobachten lässt und wohl in keinem Zusammenhang mit der Museumsnacht steht – aber mehr Gold als in diesen Funkenregen lässt sich wahrscheinlich kaum finden in dieser Nacht.

23 Uhr, Bach-Museum im Bach-Archiv Leipzig, Thomaskirchhof 15/16
Bis auf eine Veranstaltung („Late-night music mit dem Thomasius Consort [Leipzig] und allerley Geträncken'“) ist hier laut Programm leider nichts mehr los. Aber abgesehen von ein paar umherirrenden Besuchern und dem Personal ist das Bach-Museum augenscheinlich menschenleer, und von den „Geträncken“ auch keine Spur. Dann doch lieber weiter.

23:15 Uhr, Altes Rathaus, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Markt 1
Als das „Haus mit dem goldenen Schnitt“ hat es das Rathaus denkbar einfach, sich dem Motto der Nachtschicht anzupassen – allein schon architektonisch. Aber auch die Veranstaltungsangebote lassen nicht zu wünschen übrig – vor dem Verlies etwa, durch das ab 20 Uhr nonstop Führungen angeboten werden, hat sich eine meterlange Warteschlange gebildet. 23:30 Uhr im Festsaal: Das Duo Da Capo spielt auf Saxophon und Flügel Musik „Von Golden Twenties bis Goldfinger“; eine halbe Stunde wird gediegen geswingt, während die Besucher – vielleicht schon etwas müde? – umherschlendern.

4:00 Uhr, Museum für Völkerkunde, Grimmaische Straße 2-4
„Im Zeichen des Goldrausches von 1849“ heißt es hier ab Mitternacht, und die Erläuterung zur Veranstaltung, „traditionelle indianische Liebeslieder mit englischem Text, Gesang und Erzählungen mit Dr. Rainer Hatoum“, klingt in der Tat interessant. Was dann kommt, ist ein Mann, der, mit einer Trommel bewaffnet, indianische Lieder in enormer Lautstärke vorträgt, die man sich aber bestenfalls am Lagerfeuer in der Prärie vorstellen kann (wo sie auch entstanden sind) – in dem kleinen abgedunkelten Raum im Museum für Völkerkunde wirken sie schon etwas befremdlich. Die kleinen Anekdoten und historischen Exkurse zwischen den Gesängen lassen die Zeit bis 00:30 Uhr jedoch schnell vergehen – Dr. Hatoums Darbietung ist vorbei.

1:00 Uhr, Völkerschlachtdenkmal
In fahles Blau getaucht ragt das Völkerschlachtdenkmal in die Nacht. Ab 19 Uhr hatten Besucher die Möglichkeit des Aufstiegs zu den Aussichtsplattformen, bis 23 Uhr spielte stündlich das Dresdner Ensemble Stahlquartett; von Gold keine Spur; jetzt ist es dort menschenleer und still. „Am Golde hängt doch alles, zum Golde drängt doch alles“ war das Motto des Abends beim MDR – am Völkerschlachtdenkmal kommt man jedoch zu dem Schluss, dass Ruhe auch manchmal Gold wert ist.

5. Leipziger Museumsnacht

Thema: „Gold“

24. April 2004, 19 Uhr bis 1 Uhr


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