Am Beginn eines extremen Zeitalters

Das Deutsche Historische Museum Berlin zeigt eine umfangreiche Ausstellung zum Ersten Weltkrieg

Das Foto auf dem Einband des Ausstellungskataloges spricht Bände. Nach der Schlacht blickt ein Soldat in eine von Bomben und Granaten zerpflügte Landschaft. Es ist neben Fotografien von getöteten Soldaten in Schützengräben eines der wenigen Zeugnisse, die die Gräuel des Krieges unverhohlen und direkt veranschaulichen. Vor neunzig Jahren brach der Erste Weltkrieg aus; dreißig Jahre später landeten die Alliierten in der Normandie und begannen mit der Befreiung Europas von der Nazidiktatur.

Der britische Historiker Eric Hobsbawm bezeichnete das 20. Jahrhundert als das tödlichste der Weltgeschichte und ernannte es zum „Zeitalter der Extreme“. Der Erste Weltkrieg begann am 1. August 1914 als europäischer und endete als Konflikt auf drei Erdteilen – Europa, Asien und Afrika.
Die Ausstellung im Deutschen Historischen Museum stellt den Ersten Weltkrieg in den gesamteuropäischen Zusammenhang, in dem er stattfand. Dazu gehören nicht nur die bekannten Kriegsschauplätze im Westen wie Verdun und Sedan, sondern auch die Schlachtfelder im Osten und Südosten Europas. Und durch das Zeigen der letzteren leistet die Berliner Schau vorzügliche Aufklärungsarbeit.

Der erste Teil ist mit „Erfahrung“ überschrieben und handelt vom Raum und Material des Krieges sowie von Körper und Psyche der Soldaten. „Nur wer vor 1914 gelebt hat, weiß eigentlich, was leben heißt“, schrieb der Historiker Friedrich Meinecke. Dass die Auseinandersetzungen auch nach dem offiziellen Ende des Krieges anhielten, zeigt der zweite Teil „Neuordnungen“. Er widmet sich den Folgen, den Friedensschlüssen und Unabhängigkeitsbestrebungen in Osteuropa. Vor allem wird deutlich, wie bereits in der Nachkriegszeit die Saat für den Zweiten Weltkrieg gestreut wurde. Teil drei der Ausstellung zeigt die Erinnerungskultur des Ersten Weltkriegs. Hier geht es um Rituale der Erinnerung, Streit um Kriegsschuld sowie die Visualisierung des Krieges in allen Facetten. Und eines wird deutlich: Je weiter der Krieg zurückliegt, umso stärker wird er selber zu einem Ort der Erinnerung.

Diese Entwicklung belegen die Exponate, die im Anbau zu sehen sind. Da stößt der Besucher auf eine Flaschenpost von 1915, auf Geldscheine, auf Prothesen für Kriegsversehrte sowie auf Puppen und ein Feldlazarett für das Kinderzimmer daheim. Dezent trifft der Blick auf Uniformen, Gewehre, Lebensmittelmarken. Beim Verlassen bleibt das Zitat von Rudyard Kipling („Das Dschungelbuch“) am nachdrücklichsten haften: „Wenn’s Fragen gibt, warum wir starben / erzählt ihnen, weil unsere Väter gelogen haben.“ Und da ist sie wieder, die Nähe zur Gegenwart.

„Der Weltkrieg 1914-1918. Ereignis und Erinnerung“
Kurator: Dr. Rainer Rother
Katalog: Edition Minerva, 25 €
Bilder: Deutsches Historisches Museum
13. Mai bis 15. August 2004, Deutsches Historisches Museum, Berlin

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