Es ist einfach Rockmusik

Das haben sich die Jugendlichen selbst aufgebaut : Open-Air-Festival „live on stage:Sommercamp 2004“

Einmal hielt Theodor W. Adorno eine Gitarre in Händen. „Ich konnte nicht Gitarre spielen, aber riss mit einem Griff alle Saiten zugleich an und ließ sie vibrieren, berauscht von der dunklen Dissonanz, wohl der ersten so vieltönigen, an die ich geriet, Jahre ehe ich eine Note von Schönberg kannte“, sagte da der Philosoph, Jahre auch bevor er seine „Typen musikalischen Verhaltens“ klassifizierte. Was Adorno schon damals faszinierte, was Jugendliche heute dazu bringt, ihr letztes Geld beim Gitarrenhändler zu lassen, was Tausende von Menschen vor einer Bühne zum Singen von Texten bewegt, die sie zwei Wochen vorher nicht einmal kannten, ist Rockmusik. Ist Pop, ist Punk, ist alles, was die oft belächelte, manchmal verlachte U-Musik hergibt. „Worüber man nicht singen kann, darüber muss man schweigen“, singt die Hamburger Band Tocotronic in Anlehnung an den Philosophen Wittgenstein; dass man über fast alles singen kann, beweisen gerade die zahllosen Bands, die fernab vom Viva-Mainstream („You’re my heart, you’re my soul“ etc.) intelligente Texte und spannende Melodien schreiben und nur darauf warten, vom Publikum entdeckt zu werden. Und für dieses Entdecktwerden sorgt der Bandwettbewerb live on stage.

Anders als Wettbewerbe, bei denen unbekannte Bands für einen Kasten Bier spielen, während den Gästen horrende Eintrittspreise abverlangt werden, hat live on stage es sich auf die Fahnen geschrieben, junge Musiker ernsthaft zu fördern, um dem Publikum qualitativ hochwertige Newcomer-Musik bieten zu können – das Motto „Musik ist Weltsprache, keine schnelle Geldmache“ wird ernstgenommen. Der Bandcontest, den es seit nun bereits sechs Jahren gibt, ist zu einer kleinen Institution für Bands aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen geworden; dass es Vergleichbares in Mitteldeutschland nicht gibt, macht die Arbeit des in Großpösna bei Leipzig ansässigen Wettbewerbs noch wichtiger. Projektleiterin Anja Fröhlich: „Es kommt uns darauf an, die Musiker ernst zu nehmen, ihnen eine Plattform zu bieten und die Weiterentwicklung der Bands zu fördern.“

Die Konzeption des Newcomer-Contests, der zweimal jährlich stattfindet, zeigt, welche beiden Schwerpunkte von den Veranstaltern gesetzt werden. Beim eintägigen Wintercamp werden zahlreiche Workshops angeboten, in denen branchenerfahrene Musiker und Produzenten die Newcomer über Gema/GVL, Artist Development, Performance/Show und anderes informieren – der Austausch zwischen Profis und Amateuren steht im Vordergrund. Doch auch die Live-Musik kommt nicht zu kurz: Abends spielen die sechs Finalisten des Bandwettbewerbs, die zwei besten qualifizieren sich automatisch für das Sommercamp. Zudem wird über den Publikumsliebling abgestimmt. Großer Gewinner beim diesjährigen Wintercamp, das im Januar stattfand: Die Band Marry undressed! aus Dresden. Die drei Musiker wurden bei ihrem erst dritten öffentlichen Auftritt sowohl mit dem ersten Preis der Jury als auch mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.

Das Sommercamp hingegen ist in erster Linie als Open-Air-Festival konzipiert. Drei Tage wird unter freiem Himmel gerockt, gefeiert, gezeltet und entspannt; fünfzehn Finalisten stehen auf der Bühne, unterstützt von vier Headlinern. Während aber bei anderen Bandwettbewerben die Newcomerbands oft verheizt werden, um die Pausen zwischen den Headliner-Auftritten möglichst billig zu füllen, sind bei live on stage die Newcomer die Hauptakteure. Beim diesjährigen Sommercamp, das vom 2. bis zum 4. Juli im Kulturpark Deutzen (bei Borna) stattfindet, werden Mia. aus Berlin, Mutabor, Bananafishbones und Silbermond als prominente Gäste die jungen Bands unterstützen. Die Auswahl der Headliner zeigt, dass live on stage nicht auf einen Musikstil festgelegt ist: Rap und Jazz sind ebenso vertreten wie Elektropunk, Indie-Rock, Ska oder Pop – erlaubt ist, was gefällt, und beteiligen kann sich am Bandwettbewerb jede Band, die ein Programm ohne Coverversionen hinkriegt, noch keinen Plattenvertrag hat und im Altersdurchschnitt unter 26 Jahren liegt. Newcomer eben.

Dass sich das Mitmachen lohnt, beweisen die Preise, die beim live on stage – Sommercamp 2004 vergeben werden: Als 1. Preis lockt eine von der Bookingagentur „Meistersinger“ organisierte Tour – die Gewinner des Bandcontests werden auf etwa zwölf Konzerten mit „Meistersinger“-Künstlern wie Mia. oder P.R. Kantate auf der Bühne stehen. Als weitere Preise winken die kostenlose Nutzung des live on stage – Tourbusses, eine komplette CD-Produktion und eine Merchandisingartikel-Produktion; außerdem wird der Publikumsliebling mit einem Einkaufsgutschein vom Musikhaus Thomann belohnt, der beste Gitarrist erhält eine BLADE TE-2MC/LPB-Edelstratocaster und allen Gitarristen und Bassisten, die auftreten, wird ein Satz Saiten ihner Wahl geschenkt. Hinzu kommt noch, dass das Label HEARTDISCO records vor Ort ist und eine Band für einen Tag zum Coaching ins Studio einladen wird. Preise, die zeigen, dass bei live on stage junge Musiker tatsächlich produktiv gefördert werden – der Kooperation mit NRJ Sachsen ist es zudem zu verdanken, dass jetzt schon Songs der Finalisten im Radio gespielt werden. Wie in den letzten Jahren zu sehen war, steht aber bei den Bands nicht der Konkurrenzgedanke im Mittelpunkt; es geht ihnen nicht um’s Gewinnen um jeden Preis, es geht ihnen gut. Musik machen in entspannter Atmosphäre, andere Musiker kennenlernen, Feedback von der Jury – durchweg kompetente Musiker, Produzenten und Medienschaffende – bekommen und ein schönes Wochenende verleben ist bei live on stage, übrigens ausschließlich von Ehrenamtlichen organisiert, garantiert.

Es gibt Tausende von Menschen, die heute behaupten, sie wären dabeigewesen, als die Grunge-Band Nirvana noch in winzigen Clubs vor zwanzig zahlenden Gästen spielte; auffälliger Weise behaupten sie das erst, seit die Musiker von Nirvana zu Helden einer ganzen Musikbewegung wurden. Tatsache ist, dass die Newcomer von heute die Stars von morgen und übermorgen sind; auch die Beatles haben einmal ihre Plakate selbst an Häuserwände geklebt. Fünfzehn vielversprechende Newcomer, darunter fünf aus Leipzig, stehen beim Sommercamp am 2. und 3. Juli mit den Headlinern auf der Bühne – Competition rocks! heißt es bei live on stage, und so ist es. Es ist einfach Rockmusik.

live on stage Sommercamp
Open-Air-Festival

Festival-Ticket im VVK für 10 €

2. bis 4. Juli 2004, Kulturpark Deutzen (bei Borna)

www.liveonstage-gp.de

Bilder (von oben nach unten):

Das Sommercamp 2003 in Witznitz

Einer der Headliner 2004: Mia. aus Berlin

Location für das Sommercamp 2004: Der Kulturpark Deutzen

Eine der fünfzehn Finalistenbands 2004: Auf Jeden aus Leipzig

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