Es tut sich was bei DOK Leipzig

Das 48. Leipziger Dokfestival öffnet seine Türen

„Sie sehen einen gescheiterten Menschen vor sich“, gesteht Claas Danielsen mit verschmitzter Miene. Das Festivalprogramm zu reduzieren, versprach er im letzten Jahr. Die Verlockung aber war zu groß, erklärt er in diesem. So präsentiert das 48. DOK Leipzig – wie die neue griffige Kurzformel lautet – mit insgesamt 380 Filmen mehr als jemals zuvor. 19 Dokfilme und 36 Animationen im Internationalen Wettbewerb, daneben eine unüberschaubare Zahl an Nebenreihen. Schließlich sei es der Ort, an dem all diese Vielfalt einen Platz finden könne, begründet dies der 39-Jährige in seinem zweiten Jahr als Festivaldirektor.

Anderes hat er bereits mit großen Schritten in Bewegung gebracht. Mit dem Museum der bildenden Künste gibt es endlich wieder ein Festivalzentrum, in dem sich außerhalb der Kinos alles konzentriert. Auch einen Filmmarkt gibt es dieses Jahr, der Leipzig zu einem echten Branchentreff machen soll. Das steigert den Wert des Festivals und lockt mehr bessere Filme an, die sonst an andere Festivals verloren gingen. Daneben gibt es Workshops und ein Pitching, das Filmemachern die Chance bietet, unter Fachleuten – darunter 50 Fernsehredakteuren aus aller Welt – finanzstarke Partner für ihre neuesten Projekte zu gewinnen. Zwar musste Arte als großer Sponsor absagen, aber das Gesamtbudget von 650.000 Euro habe man halten können. Durch andere Sponsoren kommen sogar neue Preise hinzu, und der Animationspreis konnte auf immerhin 5.000 Euro aufgestockt werden. Neu ist auch, dass das Festival einen Tag früher als sonst bereits am Montag beginnt und die Preisverleihung schon am Samstag stattfindet, weil viele Festivalteilnehmer bereits am Sonntag abreisen. Dieser zusätzliche Tag könne nun als Nachspieltag für die Gewinnerfilme höheren Besucherzahlen zugute kommen.

Inhaltlich sucht Danielsen den Weg zu einem breiteren Publikum über eine Reihe wie „Herzflimmern – Geschichten von der Liebe“. Heraus sticht auch die Reihe „Best of TV“. In diesem Jahr gilt sie dem finnischen Fernsehsender YLE, der beweise, dass Dokumentarfilm im Fernsehen genauso anspruchsvoll sein kann wie im Kino. In bewährter Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv gibt es die Retrospektive „Rote Filme sieht man besser“ zum politischen deutschen Dokumentarfilm der letzten 25 Jahre. Eine Hommage gilt heuer Albert Maysles, einem Pionier des amerikanischen „Direct Cinema“, einer Bewegung der 60er Jahre, die heute zu Recht als Zäsur im Dokfilm gilt. Technische Neuerungen ermöglichten das Drehen vor Ort, und statt einer bevormundenden Erzählerstimme sollten die Geschichten aus sich selbst heraus erzählen. Überraschend überschaubar ist mit neun Filmen der letztjährig ins Leben gerufene Deutsche Wettbewerb. Das verschafft ihm eine Konzentration, die ohne Ausnahme qualitativ Hochwertiges verspricht.

Dass auch die Animation in diesem Jahr wieder einen großen Stellenwert einnimmt, dafür steht nicht zuletzt das neue Logo, auf dem die gestutzte Festival-Taube nun einen „animierten“ Schatten wirft. Abschied nehmen heißt es allerdings vom großen Otto Alder, der seit 13 Jahren das Animationsfilm-Programm kuratiert. Die 36 Animationen im Wettbewerb, darunter nur eine einzige deutsche, versprechen wieder volle visuelle Wucht. Zwei Highlights des Sonderprogramms sind die Reihe zur Geschichte des polnischen Animationsfilms und der Workshop des PIXAR-Animations-Studios (Die Unglaublichen, Findet Nemo) am Freitag.

Es tut sich was beim DOK Leipzig, und das ist gut so. Dass sich Danielsen trotzdem noch viele Male rechtfertigen müssen wird, ist letztlich ein großes Lob. Denn all die Kritik verrät, wie sehr dieses Festival allen am Herzen liegt. Deutschlands größtes Dokumentarfilmfestival und zweitgrößtes für Animation, das eine Woche lang die Augen der Welt auf sich ziehen wird, charakterisiert sich nicht zu Unrecht als „the heART of documentary“.

48. Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm
3. bis 9. Oktober 2005www.dok-leipzig.de
Fotos: DOK Leipzig

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