Fraktal brachial

Die Leipziger Band Nuke Eastern Plot veröffentlicht erste DVD und spielt im Concert am 9.12.

Schon „But Alive“ haben gewusst: „Über Musik schreiben ist wie zu Architektur tanzen.“ Bands richtungsweisend einzuschätzen und kategorial einzuordnen ist selten ein Leichtes. Nuke Eastern Plot (NEP) vertiefen diese Schwierigkeit, denn ihr metallastiges Liedgut ist von vielen Einflüssen getragen. Ihre Musik ist von rasanten Wechseln durchzogen und hierin erinnern sie gelegentlich an System Of A Down. Im Gegensatz zu diesen jedoch treibt NEP die Brüche zu einem Extrem. So ist allzeit ungewiss, welche Züge die Musik im nächsten Moment trägt: Nimmt sie Fahrt auf oder federt ab, oder endet sie abrupt, um dann doch wieder in den Drive zu fallen? Was bleibt, ist einzig die Konstanz der Brüche. Es ist dieses unberechenbare Element, was NEP so spannend macht und so einnehmend. Ihre Songs bestehen aus komplexen Strukturen, deren Spannungsbögen von aggressiven Deathmetal-Passagen mit Gitarrengetöse und Growlorgien bis hin zu sehr melodiösen und minimalistischen Parts, die von eher sanftem Gesang durchzogen sind, reichen. Es sind Hymnen an das Fraktale, die NEP den Hörern um die Ohren schlagen. Der Song als Werk wird brachial zerschmettert und zart durchbrochen, und die Fragmente werden doch stets wieder zu einem Ganzen zusammengeschmiedet.

Nachdem NEP bereits mit zwei Demo-EPs an die Öffentlichkeit trat, ist nun jüngst unter dem Namen „Alive 2005“ eine DVD erschienen, welche eine Menge äußerst lebendigen Materials birgt. Hauptakt ist der Live-Mitschnitt eines Auftritts in der Leipziger „Moritzbastei“. Dieser trägt dem Charakter der Musik durch vielfach wechselnde Perspektiven – gleich mehrere Kameras zeichneten auf – und rasante Schnitte gekonnt Rechnung. Hier wird die typische Atmosphäre von NEPs Konzerten – mittlerweile haben mehr als vierzig stattgefunden – erlebbar. Diese besteht in der intensiven Bühnenpräsenz der Band, die das Publikum einfach mitreißen muss. Da hastet Growl- und Sängerknabe Max ungestüm mit ausladenden Bewegungen seinen Gesang kommentierend über die Bretter und eröffnet den bandeigenen Moshpit. In diesen steigt – das wallende Haupthaar schwingend – Klampfer Pepe mit ein, sich zu ruhigeren Parts aber gern eine Fluppe gönnend. Auch Bassist Thorn, dessen schicker Name kein Pseudonym ist, kann vom Bangen nicht lassen, und Carlos, der andere Mann an der Gitarre im Priestergewand, gibt sich auch alles andere als gelassen. Derweil bearbeitet Schlagzeugerin Caro unermüdlich Becken und Felle. Das Quintett rockt ordentlich und auch das Publikum kennt sichtbar kein Halten. Der atmosphärisch überzeugende Live-Mitschnitt ist in seiner Qualität – sowohl Sound als auch Bild betreffend – gut und professionell gemacht. Besonders, wenn man den geringen finanziellen Rahmen der Produktion bedenkt. Offensichtlich waren mit Ashoka-Video Liebhaber am Werk, welche das Medium ernst nehmen, anstatt mit einer von Mama ausgeliehenen Handkamera einfach draufzuhalten und zu schauen, was man hinterher daraus machen kann.

Neben diesem Hauptakt offeriert die DVD eine ganze Menge Bonusmaterial. Originell sind einige „commercial breaks“, fiktive Werbefilmchen. Da wird ein mehr als sportiver Jogger verdroschen, weil er statt „Nuke“ eine andere Marke trägt, und in Persiflage der Kaufsenderinszenierungen unterbreitet ein Verschnitt aus Jesus und Rübezahl in mexikanischem Spanisch diverse Produktangebote. Weiterhin finden sich auf dem Silberling Impressionen von Berliner Auftritten im „Knaack“ und im legendären Kreuzberger Klub „SO 36“. In Backstage-Sequenzen wird ein Einblick gewährt, wie sich die Band mit Schattenboxen, Tonleiterträllern, letzten Outfitkorrekturen und hopfenhaltigen Getränken die Zeit bis zum Auftritt und das Lampenfieber vertreibt. Ferner zeigen Videodokumente, welche kraftfahrzeugspezifischen Pannen einer Band auf Tour widerfahren können.
Als ästhetisches Highlight der DVD ist mit Sicherheit das Video zum Hammersong „Heaven Sent“ zu nennen. Wirkungsvoll inszeniert werden Bilder menschengemachter Katastrophen und dahindümpelnder dumpfer Massen einem weißgekachelten und blutdurchströmten, eine Schlachterei evozierenden, Raum entgegengesetzt, in dem die Band agiert. Mit Strobe-Effekten und vielfachen Überblendungen arbeitend stellt das Video – um mit Canetti zu sprechen – die Frage nach „Masse und Macht“.

„Alive 2005“ ist in gleich zwei Versionen erschienen. Neben der DVD-Ausgabe gibt es auch ein Doppelpack von DVD und der von Vurtox (Disillusion) produzierten CD „Symbiotic“. Das Werk verdient ohne Zweifel das Prädikat „gelungen“. Mögen auch die Szenen hinter der Bühne ausschließlich eingefleischte Fans interessieren, so sind Konzertmitschnitt und Videoclip für alle FreundInnen der härteren Gangart Gründe genug, einen Blick zu riskieren. Zeigen sich hier doch Nuke Eastern Plot als ein eindrucksvolles und Potenzial bergendes Quintett, das man im Auge behalten sollte. Hiervon wird gewiss auch der Auftritt von NEP am 9. Dezember zeugen. Dann kann man im „Werk II“ über die Klangarchitektur staunen und zur Musik tanzen.

NUKE EASTERN PLOT

„Alive 2005“
DVD und Double Edition mit der CD „Symbiotic“, 5 bzw. 8 Euro

www.nukeeasternplot.de

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