Küsschen in Technicolor

Die Sängerin ist süß und die Jungs sehen gut aus: Die Band Hitboutique spielt in „nochbesserleben“

Mein Bruder sagt:
In einer besseren Welt würde man ständig, Erdbeerkuchen essend, Cary Grant Technicolor-Filme gucken. In einer besseren Welt würden deine Freunde bessere Musik hören und morgens, wenn du das Haus verlässt würden bunt gekleidete Mädchen dir Küsse und schöne Blicke zuwerfen. Die Tramfahrer lächelten immer, alle Menschen könnten Tanzen, es gäbe nie einen Knartz am Morgen danach und die Punks am Hauptbahnhof würden mit jedem Bier das sie trinken das System an den Rand des Zusammenbruchs bringen. Pizza würde immer lecker schmecken, nichts kosten und nicht dick machen. Plattenfirmen verschenkten Musik einfach so – nur um Menschen glücklich zu machen. Du führest in einem roten Lada über von gelben Blumen und grünen Feldern gesäumte Landstraßen, neben dir wehte das goldblonde offene Haar deiner Begleitung. Und würde dir eine bereits entzündete Zigarette gereicht, wäre an ihr immer noch der leichte Nachgeschmack eines Lippenstiftes.

Der Soundtrack zu dieser besseren Welt existiert übrigens schon: HitBoutique machen genau die Musik, die man sich vorstellt, wenn man ihre Plakate sieht oder ihren Namen liest. Drei Jungen und ein Mädchen, scheinbar easy-listening-brainwashed bis an die Grenze der Zurechnungsfähigkeit (oder einfach die Zeichen der Zeit erkennend), spielen so lange ihre 80er Jahre Coverversionen im Bossa-meets-Swing-Stil bis auch deine Beine sich bewegen. Mit dabei, unter anderem: „I was made for loving you“ von Kiss, „T.N.T.“ von AC/DC sowie „Anarchy in the U.K.“ von den Sex Pistols. Dazu trinkt man dann eigentlich auch kein Bier, sondern Sekt und redet natürlich nicht über „historische Semantik“ und Giorgio Agambens neueste biopolitische Katastrophenszenarien, sondern über die Beatles-Platten ihrer Eltern oder den neuen Uschi-Obermaierfilm. Unter uns: So was kann hübsch sein.

Mein Bruder sagt aber auch: „Hitboutique machen Musik die so ziemlich exakt das ist was Heidegger uneigentlich nennt. Ihre Welt ist reine Oberfläche, es gibt Küsschen aber keinen Kuss, Sekt aber keinen Schnaps, Beleuchtung aber kein Licht. Die Frische dieser Welt hat auch den Geruch von Zellophan an sich. Der guten Dialektikerin entgeht dabei allerdings nicht: Im falschen Schein von Freiheit tut sich ex negativo eine Ahnung des richtigen Lebens kund.“

Ich antworte – nach einer kurzen Nachdenkpause:
„Ja, gut, dass das jetzt mal gesagt ist. Am besten selber anschauen und anhören, wenn sie wieder auf Tour sind. Waren sie übrigens gerade eben und da haben sie gleich mal dem allseits geschätzten Noch Besser Leben einen Besuch abgestattet. Schön war das. Von morgens bis abends, mit bitter-süßer Sängerin, viel Charme und der hübschen Absage: <<Wir machen das hier nicht aus Spaß, sondern um Geld zu verdienen.>> Das gilt ja bekanntermaßen auch für uns vom Almanach und deshalb wird diese kleine Wahrheit, fein kalligraphiert, wohl demnächst T-Shirts, Kühlschranktüren und Kaffeetassen in unseren „Parisienne People“-Haushalten zieren. [1] Nebenbei: ich finde das in Ordnung. Und jetzt – leg mal die CD von HitBoutique ein, die ist nämlich wirklich hübsch.“
[1] „Parisienne People“ ist ein sehr großartiges, hier ausdrücklich anempfohlenes Lied vom großartigen GUZ, zu finden auf dessen noch viel großartigerem Album: We do wie du. (Der Autor)

HitBoutique

4. Februar 2007, Noch Besser Leben

www.nochbesserleben.com

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