Im Land des großen Kraches

Die Comic-Strip-Sammlung „Bigbeatland“ ist eine anarchistische Narrative

Mit Sorge lesen sich jüngste Meldungen des Verfassungsschutzes über linke Umtriebe in der Comicszene und in freien Radios. Hier ein Sendemitschnitt:

Wenn Meeresspiegel steigen, müssen Regierungen nun mal fallen,
Es ist halt nicht genug, wenn wir nur die Fäuste ballen.
Und wir Hippies, Freaks, Punks, Ökos und Emanzen,
Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen.

…But Alive waren das. „Unser Nein“, was soll man da noch mehr sagen, da kann man nur voll zustimmen, gerade auch wegen der Klimakatastrophe. Also hier sind immer noch der Johnny und der Sandro mit der Punkrock-Show im Freien Radio. Ihr wisst: schneller, härter, lauter ist hier Programm. Aber wir woll’n auch das Inhaltliche nicht vergessen, ihr wisst schon, politisches Bewusstsein und so. Dazu nun ein Redebeitrag vom Sandro.

Also, ich hab‘ da letztens einen abgefahrenen Comic gelesen. Aber nicht so’n Superhelden-Scheiß. Der hier war echt witzig, und auch politisch und so. Das war ein Comic, der von uns handelt, also von uns allen. Und damit meine ich erstmal jeden, und natürlich jede, die im Haus Deutschland nicht wohnen wollen. Und bei denen wegen dieser neuen Bürgerlichkeit höchstens der Stinkefinger zuckt und die Hassi ruft. Ähm, also Bigbeatland heißt der. Das ist so’ne Sammlung von Comicstrips, die Andreas Michalke gezeichnet hat. Die kennt ihr bestimmt aus der Jungle World, also dieser Wochenzeitung, die noch nach Abos sucht um zu überleben. Und das finde ich auch wichtig, dass wir da jetzt alle mitmachen, weil so’n bisschen Gegenöffentlichkeit ja nie schaden kann. Und das findet sich auch in Bigbeatland wieder. Da werden gleich mehrere Geschichten gleichzeitig erzählt, ist also eine lose Folge von Bildgeschichten, die mit uns zu tun haben. Da ist zum Beispiel Subkommandante Markus, der mit seiner bolschewistischen Zelle eher auf Militanz aus ist, aber auch auf Wohnungssuche ist, weil er aus der WG geflogen ist. Der hatte nämlich Pornos und das war dann für seine Mitbewohnerinnen nicht tragbar. Derweil bemüht sich die Medientussi Sandra in ihrem Freundeskreis um Street Credibility und reist in den Irak. Dort sucht sie nämlich nach einem verschollenen Popperduo, das dort in einem Big-Brother-Container unfreiwillig für arabische Lacher sorgt. Nebenbei gibt es immer wieder diesen ideologischen Streit zwischen Anti-Imps und Antideutschen um Meinungshoheit, der allen auf die Ketten geht.

Wie ihr seht, die Szene ist ganz gut getroffen in Bigbeatland. Klar, es ist alles ein bisschen überzeichnet, ist schließlich eine Karikatur. Man soll ja auch mal über sich lachen können und dürfen. Dem Michalke ist das echt witzig gelungen, mit seinem Mosaik aus punkigem, linksradikalem Leben. Und das mit Zeichnungen, von den man echt ein T-Shirt von haben möchte. Und wenn im Hintergrund der Story immer wieder die Große Politik außerhalb des Bigbeatlandes lärmt, also Stöber und Merkel, Rüstungsexporte und BND – „spys’r’us“, hä, hä -, und das Patriotismus“-Gedöns, dann merkt man wieder, warum man sich hier trotz allem verdammt wohl fühlen kann. Wir Rock-Linken müssen schließlich zusammenhalten. Aber genug Gelaber, Music on. Es kommt nochmal …But Alive mit „Wir werden“, ein Song, der … ach was…Wir werden kämpfen und lieben und hassen
Wir werden uns fragen und zählen uns nie zu den Massen…

Ja, mit Sorge liest man, was Comics alles anrichten können unter solch subversiven Elementen. Was wollen sie eigentlich, diese ewigen Unzufriedenen und Antis, die uns weder Sommer- noch Wintermärchen gönnen? Zum Glück sind sie eine kleine radikale Minderheit. Denn was würde geschehen, wenn diese anarchische Narrative Früchte trüge?

Andreas Michalke: Bigbeatland
Reprodukt
Berlin – 2006
96 S. – 15 €
www.reprodukt.com

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