Harmonie als klebrige Soße

Dünnes Filmchen: „Mein bester Freund”

Im Zentrum des Films Mein bester Freund steht eine griechische Vase, welche im fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung geschaffen wurde, um die Tränen aufzufangen, die der Auftraggeber um einen verstorbenen Freund vergoss. Aber anstatt rührselige Geschichten um alte Keramik zu erfinden, wären die Drehbuchautoren besser beraten gewesen, sich mit griechischer Ästhetik auseinanderzusetzen. Dort gibt es zum Beispiel das Konzept der Kalokagathie, welches Schönheit der Idee und Schönheit der Form zwingend verbindet. Nur so könne wirklich einheitliche Harmonie entstehen.

An der Form kann man bei diesem Film nicht mäkeln: gute Schauspieler, atmosphärische Bilder, gut gesetzte Schnitte, usw. Aber wo ist denn die Idee geblieben? Steckt sie in der Vase? Wenn ja, warum hat sie dort niemand gefunden und herausgeholt? Herumgetragen wurde die Requisite ja oft genug. Stattdessen wurde hier eine Soße zusammengerührt, deren Zutaten „der hohe Wert der Freundschaft“, menschliche Wärme, Vergebung, Offenheit, Zuwendung und Lebensfreude in Filmform verkocht letztlich nur eine fade, klebrige Pampe ergeben.

Die Geschichte ist bereits verdächtig: Der Antiquitätenhändler François wird eines Abends vor versammelter Runde damit konfrontiert, dass niemand zu seiner Beerdigung kommen würde, auch nicht die Vertrauten in der Runde. Vor den Kopf gestoßen geht er mit seiner Geschäftspartnerin die Wette ein, dass er bis Ende des Monats seinen besten Freund vorstellen würde, der Wetteinsatz ist: die Vase. Wenn in Filmen um Menschen oder Menschliches gewettet wird, schrillen sofort die Alarmglocken. Bereits unzählige und fast immer überflüssige Male wurde die Geschichte vom Herzensbrecher erzählt, der jede rumkriegt, darauf wettet, sich während der Wette verliebt, dann knallen ein paar Türen oder Wangen, betroffene und gekränkte Gesichter lugen an der Kamera vorbei ins Ungewisse, aber am Ende findet zusammen, was zusammen gehört. Hier haben wir nun die platonische Variante dieses beliebten Motivs. François angelt sich den redseligen Taxifahrer und Großsympath Bruno, um sich eine Schulung in Sympathie und Freundschaftserwerb geben zu lassen. Mit Fortschreiten des Films lächeln sich die beiden so penetrant verbunden an, dass man glaubt, es folgt vielleicht noch eine Enthüllung der bisexuellen Sehnsüchte von Männern in den besten Jahren, doch nein: Hier keimt wahre Männerfreundschaft! Einmal zusammen zum Fußball und Metro gefahren, schon geht man bei den Eltern des anderen ein und aus. Ach, ist das Leben wunderbar leicht und schön!

Die Geschichte ist schlichtweg haarsträubend, Charaktere und Situationen werden nicht plausibel. Was ist eigentlich so schlimm an François? Er ist doch auch nur ein hochkultivierter, unsensibler Klotz – wie die Nebenfiguren. Dazu hat er Witz und Leidenschaft. Gut, seine Leidenschaft gilt alten Gegenständen und Geld, doch andere Interessen kann man in der Darstellung der Pariser Bourgeoise nicht entdecken. Und warum hat Bruno der Taxifahrer, wenn ihm menschliche Kontakte so leicht fallen, selbst keine Freunde außer seinen Eltern? Was reizt ihn an François, woher das besondere Interesse an einem Snob? Der Film zimmert auf diese Fragen unglaubwürdige Antworten, die ein Stück weitergedacht nicht funktionieren. Deswegen ist es geradezu ätzend, wenn zum Schluss die bourgeoise Clique feiernd und fröhlich schmunzelnd beisammensitzt und alle Probleme gelöst sind (sogar das Asthma der Tochter von François verschwindet quasi mit einem freundschaftlichen Handgriff), obwohl sie vorher nicht einmal einen Anstandsbesuch zur Beerdigung vorstellbar fanden. Eine kollektive Saulus-Paulus-Erscheinung? Nein, nur ein dünnes Filmchen, begraben unter einer Lache klebriger Harmoniesoße.

Mein bester Freund

R: Patrice Leconte
B: Olivier Dazat, Patrice Leconte & Jérôme Tonnerre
Mit: Daniel Auteuil, Dany Boon, Julie Gayet, Julie Durand u.a.
F 2006 – 94 min.
Verleih: Alamode

Kinostart: 6. Dezember 2007
www.monmeilleurami-lefilm.com

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