Mörderischer Zeitvertreib

Die Comic-Trilogie „Green Manor“ beschäftigt sich mit allen letalen Raffinessen rund um den perfekten Mord

„Das haben Sie wunderbar durchdacht!“ rief ich ehrlich begeistert aus. „So eine verworrene Gedankenkette, und doch paßt jedes Glied genau zum anderen.“
„Es bewahrt mich vor der Langeweile,“ antwortete er gähnend. „Leider habe ich jedoch das Gefühl, daß sie mich schon wieder packt. Ich verbringe mein Dasein mit dem mühsamen Versuch, den Alltäglichkeiten unserer Existenz zu entgehen. Diese kleinen Probleme helfen mir dabei.“
Arthur Conan Doyle: Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Mord ist ihr Hobby. – Die Gesellschaft, die im Herrensalon Green Manor regelmäßig zusammenkommt, kennt kein größeres Vergnügen, als über mehr oder weniger perfekte Verbrechen zu debattieren oder sich gleich selbst im mörderischen Tun zu probieren. Der Teil Unheilvolle Gedanken schließt die Comic-Trilogie um den makabren Gesprächskreis mit neuen meisterlich erzählten Kurzgeschichten ab.

Der narrative Rahmen erinnert an Szenen aus Bram Stokers Dracula. Wie sich dort der mit Vorliebe Insekten verspeisende Renfield in einer Irrenanstalt blutigen Phantasien hingibt, beschwört hier ein schwer verwirrter Thomas Below im psychiatrischen Krankenhaus Bethlehem Schauriges herauf. Der ehemalige Diener von Green Manor erzählt von den unheimlichen Geschehnissen, die sich in diesem Herrensalon des viktorianischen Londons zugetragen haben. Sein Bericht reiht grausige Mordgeschichten und kriminologische Rätsel aneinander, welche sich die illustren Gentlemen aus dekadentem Zeitvertreib zum Besten gaben. Die dabei aufgetischten Storys drehen sich um Voodoo, legendäre Gifte oder die Heilige Lanze, beinhalten aber auch Irdischeres wie Eifersucht, Gier und Langeweile. Das Kapitalverbrechen erscheint als ästhetisches Kunstwerk und die Spekulationen darüber, ob ein Mord ohne Mörder und Opfer möglich ist, geben sich als aberwitziger Schlagabtausch abstruser Hypothesen. Und wenn sich die Gemüter in aller Kombinations- und Logikübung überhitzten, wird aus galantem Spieltrieb ein tödlicher Ernstfall.

Mit feinem Strich und in verhaltenen Farben hat Denise Bodart die Geschichten aus Fabien Vehlmanns Feder in Szene gesetzt. Unterstützt durch sprachlich angemessene Dialoge geben die detailreichen Zeichnungen die Stimmung des 19. Jahrhunderts atmosphärisch gut wieder. Man könnte meinen, sich in Jule Vernes Reform Club zu befinden, wo Phileas Fogg wettet, in 80 Tagen um die Welt zu reisen. Zudem werden Erinnerungen an Werke wie die von Edgar Allen Poe oder Arthur Conan Doyle wach, die Stil prägende Gründergeneration der Kriminalliteratur. Über diese wird im Green-Manor-Salon nicht nur referiert, sondern um einen von ihnen gar ein tödliches Komplott gesponnen. Dabei warten die äußerst findig komponierten Geschichten immer wieder mit Überraschungen, Finten und ironischen Drehs auf. So gelingt diese lakonische Beschäftigung mit letaler Materie zum vergnüglichen Stöbern in einem Museum von Raffinesse und Niedertracht, wird Green Manor selbst zum mörderischen Zeitvertreib.

Denis Bodart & Fabien Vehlmann: Green Manor
Comic-Trilogie
Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag
Berlin – 2006-07
48-56 S. – 11,00 €
www.zack-magazin.com

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.