„Trotz aller Widrigkeiten ein vielfältiges Programm“

Ein Gespräch mit dem Lindenfels Westflügel

Leipzig-Almanach: Im Juli öffnet der Westflügel endlich wieder seine Pforten. Die plötzliche Baugenehmigung war ja Schock wie Chance zugleich. Seid ihr erleichtert, dass das nun bald von der Bühne ist, erwartungsfroh auf den neuen Spielplan?

Westflügel: Die Baugenehmigung war eigentlich kein Schock. Da steckt jahrelange Arbeit und viel Geld drin und wir waren froh, als wir sie bekamen. Ein Schock war die Nutzungsuntersagung im letzten Herbst. Die hat sehr viel Energie freigesetzt und Gott sei Dank ist es gelungen, Gelder vom ASW [Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung] in Aussicht gestellt zu bekommen. Inzwischen sieht es so aus, als ob die SAB [Sächsische Aufbaubank] die Mittel auch zeitnah freigibt, das heißt wir hoffen, demnächst mit den notwendigen Sanierungsmassnahmen beginnen zu können. Dass wir im Juli mit dem SommerSpielPlan 08 beginnen können, ist der Schaubühne Lindenfels zu verdanken, die uns den Ballsaal bis auf Weiteres – nämlich bis bei uns die Brandschutz- und anderen Sicherheitsmaßnahmen gebaut sind – zur Verfügung stellt! Wir freuen uns sehr auf den dann beginnenden Spielplan und sind froh und stolz, dass wir trotz aller Widrigkeiten ein so großes, interessantes und vielfältiges Programm haben.

Leipzig-Almanach: Das Programm verspricht ja wieder spannende Inszenierungen. Was darf das Publikum vom Sommerspielplan 08 erwarten?

Westflügel: Die Eröffnung findet am 24. Juli mit der Deutschlandpremiere von Mewa – eine Coproduktion von der Kompania Doomsday (PL) und Figurentheater Wilde & Vogel statt. [siehe Bild 2] Kommen und mitfeiern! Es folgen weitere Premieren, Wiederaufnahmen, ein Festival, Konzerte und Ausstellungen. Der SommerSpielPlan 08 ist das zweite Jahr unseres europäischen Kooperationsprojekts SONE, er läuft unter der Thematik „Diagonale“. Wir zeigen Produktionen, die in verschiedenen Regionen Europas entstanden sind, von Theatergruppen, die über Genre- und geographische Grenzen hinaus reflektieren und produzieren. Künstler aus Polen, Weißrussland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Österreich, Italien, Ungarn und Deutschland sind dabei. Zudem findet zum zweiten Mal Ohayô, Japan! – Japanisches Festival bei uns statt, kuratiert von Tom Grigull. Zu Gast sind japanische (Theater)-Künstler verschiedener Formen zwischen Tradition und Moderne. Insbesondere das Workshop-Programm und künstlerische Improvisationen lassen viel Neues hier im Westflügel entstehen.

…und für alle, die den Westflügel im Winter immer vermisst haben: Diesem SommerSpielPlan folgt erstmals ein WinterSpielPlan! Alle zwei Wochen wird zukünftig auch im Winter Theater im dann temporär geheizten Westflügel stattfinden. Dazu berichten wir dann gerne im nächsten Interview.

Leipzig-Almanach: Möchtet ihr schon etwas über die Faust-Adaption verraten, die als weitere SONE-Produktion im Oktober zu sehen sein wird?

Westflügel: Nach dem Erfolgsstück Sommernachtstraum reorganisiert ist das die zweite Zusammenarbeit vom Figurentheater Wilde&Vogel mit dem Wiener Christoph Bochdansky, der dem Haus seit Anbeginn verbunden ist. Wissen wir noch, was eine Seele ist? Und welcher arme Teufel wird uns noch irgendetwas dafür geben, wenn sie uns selbst nichts mehr wert ist? Gute Fragen. Gerade richtig für das unaufgeräumte Zimmer zweier Figurenspieler. Mit wohlbekanntem Kaspermut werden sich Christoph Bochdansky und Michael Vogel den alten Hut aufsetzen und bis über den Rand der Krempe gehen. Musikalisch ausgeleuchtet von Charlotte Wilde führt ihr Weg quer durch quellenreiches Gelände, vom mittelalterlichen Volksbuch zu Marlowe und Goethe erobern sie Faustland zurück.

Leipzig-Almanach: Im Herbst feiert der Westflügel 5-jähriges Jubiläum, das im Dezember begangen wird. Gibt’s eine große Party?

Westflügel: Ja! Am 20. Dezember, mit vielen Künstlern, die in den vergangenen Jahren mitgearbeitet haben.

Leipzig-Almanach: Ihr habt erstaunliches bewirkt in dieser relativ kurzen Zeit: Hochkarätige Produktionen nach Leipzig geholt, hier selbst faszinierende Inszenierungen entwickelt, einen Stamm von KünstlerInnen um das Haus gebildet und nicht zuletzt ein begeistertes Publikum erspielt. Wie stellt man so etwas auf die Beine?

Westflügel: Permanent arbeiten und nicht locker lassen. Und dabei die gute Stimmung zumindest nicht dauerhaft verlieren und sich immer wieder die vielen guten Gründe für die Arbeit vor Augen zu führen. Die Atmosphäre und Möglichkeiten im Gebäude, engagierte Menschen, die mit anpacken, die Freude, mit der Künstler kontinuierlich am Haus arbeiten und ein aufgeschlossenes Publikum leisten dazu ebenfalls einen großen Beitrag.


Leipzig-Almanach: Welche Wünsche, Träume, Vorstellungen habt ihr für die nächsten fünf Jahre?

Westflügel: Nicht die permanente Unsicherheit mit dem Haus und den Finanzen zu haben. Ein kleiner, jährlicher finanzieller Sockel, der sicher ist, wäre sehr hilfreich. Und so dann weiter machen zu können – im Sinne von weiter gehen.

Ein Gespräch mit dem Lindenfels Westflügel
Der Sommerspielplan 08 startet mit der Premiere von Mewa am 24. Juli 2008
www.westfluegel.de

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