Dokumentiertes Desinteresse

Selbst die Idee des Films im Film geht nicht auf: „Jeder siebte Mensch“

Olympiade, Tibetkonflikt, Marken-Kopien: China ist in aller Munde. Dabei richtet sich der mediale Fokus zumeist auf Metropolen. Doch wie steht es um die Landbevölkerung in der Gesellschaft zwischen sozialistischem Erbe und Turbokapitalismus? Wie leben die einstigen Teilnehmer an Maos „Langem Marsch“ und Träger der „Kulturrevolution“ heute? Welches rurale Gesicht trägt das Reich der Mitte?

Über solcherart Fragen schweigt sich dieser Film aus. Über das chinesische Hinterland erfährt man nichts. In drei Flecken hielten die Filmemacherinnen die Kamera wahllos auf alles, was sich bewegte: mal Bauern auf dem Feld, mal blökende Tiere, paukende Schulkinder. Dazwischen ist in Interviewfetzen auch wenig Kenntnis zu bekommen. Es wird nicht einmal erläutert, warum gerade jene drei Dörfer exemplarisch sein sollen für insgesamt eineinhalb Millionen. Was es bedeutet, wenn ein Junge in die Kamera sagt, er möchte später Chef werden oder Soldat, bleibt ebenso ungeklärt wie der Spagat zwischen der groß propagierten Gleichwertigkeit von Mann und Frau und der Realität. Und was steckt hinter dem Mantra vom „kleinen Wohlstand“?

Selbst die Idee des Films im Film geht nicht auf: Mehrmals hat ein Bewohner die Möglichkeit eine kurze Bilderfolge zu gestalten. Erhellend sind diese Schnipsel allerdings auch nicht und verschwinden wie der Rest im Sog der Beliebigkeit. Der Streifen ist inhaltlich gähnend leer und zeugt nur vom desinteressierten Blick, der sich fälschlich als „dokumentarisch“ und „unzensiert“ rühmt. Jede Antwort schuldig bleibend, ist er in etwa so relevant wie jener berühmte Sack Reis.

Jeder siebte Mensch

R: Elke Groen & Ina Ivanceanu
A/LU 2006 – 75 min.

Kinostart: 31. Juli 2008


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