Do the hustle, bitch!

Balztanz revised: „SKILLZ/NO SKILLZ“

Mit dem „Gangsta-Bikini-Blingbling-Hip-Hop“ und dessen visuellen Klischees will man sich in diesem Stück auseinandersetzen. Vor dem inneren Auge sieht man schon die dicken Goldketten schwingen, die Sonnenbrillen und Zahnkronen funkeln und die fette Karre röhren. Der amerikanische Hip-Hop stellt gerade in seiner Clipästhetik ein sehr eigentümliches Phänomen der fortgeschrittenen Moderne dar, um das sich ein außerordentlich formenreicher und charakteristischer Kosmos an Codes gruppiert. Aber es dominiert letztendlich doch der coole, überlegene, aggressive und begehrenswerte Mann, um den die „Ladies“ wie Insekten um eine heiße, hohle Glühbirne herumschwirren. Die Aufgabe der Frau besteht vor allem in der kulissenhaften Beglückung des Mackers, unter anderem mit wild wogendem Busen und bis zum Anschlag heraus gereckten Popos.
Diese aufgeregten Balztänze sind dementsprechend ebenso das Vokabular dieser Choreographie wie die ausgestellte Lässigkeit der „männlichen“ Posen. Trotz der Vielfalt der verfügbaren Gesten muss dies zwangsläufig auf Redundanz hinauslaufen. Einerseits, da der Kanon der Bewegungen trotz allem begrenzt und keineswegs beliebig ist, andererseits um gerade durch die Redundanz auch die Leere der Gesten und den Verlust der Kreativität innerhalb des Mainstream-Hip-Hop vorzuführen. Darin aber erschöpft sich das Konzept von Gudrun Lange glücklicherweise nicht. Sie geht durch die Musikauswahl darüber hinaus, denn Jörg Ritzenhoff zerlegte die Beats und Grooves des Hip-Hop elektronisch, so dass sich – wie er selbst anmerkt – „dem klassischen Hiphopper [?] da die Sohlen seiner stylishen Turnschuhe aufrollen“ werden, was auch eine erweiterte tänzerische Auseinandersetzung mit der Musik ermöglicht. Lange spielt geschickt mit den Posen, wendet diese gegen sich selbst und hinterfragt so auch die Bedeutung und den Sinn des ganzen Getues.

Dabei geht sie teilweise etwas zu plakativ mit der Stilistik ins Gericht, etwa durch ein Denkmal für die – *bleep* – zensierten Textpassagen oder durch den erschöpften Zusammenbruch der PR-trächtig winkenden Missys. Die Stärken des Stücks liegen vor allem in der Auseinandersetzung mit den Beziehungen zwischen den Akteuren, insbesondere zwischen den Geschlechtern. Die rollige Odaliske in der Szene „3 Männer, 1 Frau“, deren hitzige Geilheit die Coolness der Jungs noch lange nicht auflösen kann, und die darauf folgende Fleischbeschau mit Bäumchen-wechsel-dich-Spielen stellt einen der Höhepunkte dar. Auch in den Szenen „Duos“ und „Snake“ wird die sexuell völlig überfrachtete, aber blutleere und auf Vergeblichkeit hinauslaufende Pose gekonnt aufs Korn genommen. Die Tänzerinnen stellen währenddessen nicht nur ihre beeindruckende Kondition, sondern auch ihre körperliche Ausdruckskraft unter Beweis. Die hervorstechende Individualität ihrer Bewegungen ist vielleicht der am besten herausgearbeitete Kontrapunkt zu der Stereotypie des Ärscheschwingens.
Am wenigsten zu überzeugen weiß hingegen das Konzept, dass während der Aufführung die Reihenfolge und Dauer der Szenen ausgelost wird. Dieses Zufallsprinzip lässt sich beim besten Willen nicht mit dem Gesamtbild in Einklang bringen. Es entsteht dabei nicht nur ein verwirrender Bruch zwischen den Szenen, der keinen inhaltlichen Mehrwert erzeugt, sondern es geht damit auch die Chance verloren, die Stärken einzelner Bewegungsabläufe auszuspielen, wohingegen Szenen, welche weniger tragfähig sind, allzu lang ausgedehnt werden. Hier wünscht man sich leider dann doch die ganz wertkonservative Idee eines minutiös abgesteckten Ablaufplans. Doch das ist der einzige wirkliche Wermutstropfen in einer ansonsten schweißtreibenden und mit sichtlicher Freude an der Sache erarbeiteten Inszenierung.

SKILLZ/NO SKILLZ
Choreografie: Gudrun Lange
Tanz: Sophia Cleff, Swantje Schäuble, Hilde Elbers, Gudrun Lange i.V.v. Florian Bücking
Dramaturgie: Kathi Loch
Komposition: Jörg Ritzenhoff
LOFFT
Premiere: 6. September 2008
www.lofft.de

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