In Frage: Selbstverständliches und Selbstverständnis

Wolfgang Haak schaut mit Meditationen, Alltags- und Naturbeobachtungen hinter die Kulissen des menschlichen Daseins

Der Spannungsbogen der Prosaminiaturen kündigt sich bereits im Titel an. Belangloses also soll sich hier finden lassen, das dann doch auf ein Ganzes abzielt. Und in der Tat legt Wolfgang Haak ein Werk mit Steinbruchcharakter vor, das nicht weniger als die Fragen des Menschseins zum Thema hat. In seinen sprachlich dichten Fragmenten erodieren die Grundgewissheiten unseres Daseins. Abgründigkeit tritt zutage, Einsamkeit und zwischenmenschliches Schweigen. Vergänglichkeit und Tod lauern an allen Ecken. Das Geworfensein in eine raue Welt zieht sich als Grundmotiv wie der Ariadnefaden durchs lyrische Labyrinth.

Zwischen dramatischen Bildern und lakonischem Duktus die Balance haltend, entwirft Haak Szenarien von eigenartiger Schönheit: Aus den Lebenslinien seiner Hand versucht ein erzählerisches Ich auszubrechen, statt vom Heil verheißendem Nadelöhr wird ein anderes von einem ernüchternden Pieks empfangen – ein Pricktest für Daseinsmüde. Und die Taube, mit deren leisen Füßen frei nach Nietzsche die weltbewegenden Gedanken kommen, landet in der Bratpfanne. Genau wie ein Fisch, der am Haken sich noch auserwählt wähnt und beim Brutzeln das Augenlicht verliert.

Was soll ich jammern. Noch ziehen die Jahreszeiten der Reihe nach an meinem Fenster vorbei, obwohl die Menschen ringsum, in ihren Körpern verborgen, absterben.

Fast stoische Ruhe strahlen die kleinen Meditationen, Alltags- und Naturbeobachtungen aus, die Selbstverständliches und unser Selbstverständnis zugleich hinterfragen. Sie bejahen die metaphysische Obdachlosigkeit des Menschen, dem die Rückversicherung an Instanzen wie Gott oder Fortschritt verloren gegangen ist, bezeugen die Ungläubigkeit gegenüber den Nornen, die das Garn unseres Fatums spinnen – ohne mit dem Schicksal zu hadern. Der dunklen Färbung zum Trotz schlagen aus den Versuchen über die Belanglosigkeit des Menschen kleine Funken der Lebensfreude. Den Texten sind Grafiken von Gerd Mackensen zur Seite gestellt, die wie diese vom Charme der Flüchtigkeit getragen sind. Von den hingeworfen scheinenden, Figuren besticht besonders ein skurriler Frosch. Einer Fliege nachjagend steigt er eine Tonleiter auf: Und verwechselt quakend jeden Sonnenuntergang mit dem Ende der Welt.

Wolfgang Haak: Bagatellen Opus Nro. III, Prosaminiaturen
Edition Ornament – Bucha 2008
127 S. – 14,90 €
www.edition-ornament.de/haak.html

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