Schaufenster in fantastische Welten

Stilecht an der Wand verleimt: Robert Voss zeigt seine Theaterplakate

Worte zu dem zu finden, was man vor Augen hat – wie schwer kann das sein. Wenn sie dann aber kommen, stoßen sie mit kleinen Hämmern gegen das Wirkliche, bis sie das Bild aus ihm wie aus einer kupfernen Platte getrieben haben.
Walter Benjamin: Denkbilder

Eine Weltkugel promotet Der Hobbit, ein gestrandeter Ozeanriese empfiehlt Die Bessenen. Robert Voss hat bereits zahlreiche Werbeträger für die darstellende Kunst entworfen und dabei immer eine höchst eigene Handschrift hinterlassen. Seine Theaterplakate sind im Lindenfels Westflügel ausgestellt – stilecht an der Wand verleimt.

Robert Voss, 1970 in Halle/Saale geboren, studierte an der Burg Giebichenstein Malerei und Grafik sowie Illustration an der Prager UMPRUM. Er lebt als freiberuflicher Grafiker in seiner Heimatstadt. Seit Jahren gestaltet er Plakate für das Figurentheater Wilde & Vogel und darf als Hausgrafiker des Lindenfels Westflügel gelten. Für seine Arbeit zu Lear wurde er 2008 im Wettbewerb „100 beste Plakate Deutschland Österreich Schweiz“ prämiert. Das handgestempelte, zweifarbige Plakat zeigt ein Männecken in Schwarz mit und ein Männecken in Rot ohne Krone. Der debile König und sein lästerlicher Narr im düsteren Zusammenspiel: In Voss‘ Darstellung findet sich der Grundkonflikt des Stücks mit einfachsten Mitteln prägnant erfasst.

Werbeplakate sollen Aufmerksamkeit erregen, für das Beworbene interessieren, noch Unentschlossene locken. Da ist es nur selbstverständlich, wenn Voss‘ Arbeiten diese Funktion erfüllen. Doch in ihrer Gestaltungsweise reichen sie über bloße Gebrauchsgrafik hinaus. Diese Plakate, als Medium ja geradezu paradigmatisch für das, was Walter Benjamin in seinem berühmten Aufsatz als technische Reproduzierbarkeit kritisierte, die einem Kunstwerk seine Einzigartigkeit nehme, tragen selbst künstlerische Züge. Ohne der platten, will heißen: plakativen Abbildung zu verfallen, gelingt es Voss die beworbenen Theaterstücke auf den Punkt zu bringen. Seine Grafiken strahlen allesamt eine besondere Aura aus, sind auf ihre Weise selbstständig und stehen doch in enger Verbindung zum dramatischen Stoff, fangen die jeweilige Atmosphäre der Inszenierungen ein. Hierbei sind sie oft bewusst einfach gehalten, auf Wesentliches reduziert. Für Salomé etwa reicht ein grau schattiertes Frauengesicht mit rotem, den Mund umspielendes Blut, das schräg von unten dargestellt wird. Der Betrachterblick ruht in der Froschperspektive. Ein solcher klebt für Spleen als Notizzettel auf einem skizzierten Venushügel – genug, um den ganzen grotesken Bannkreis von Baudelaires Stück anzudeuten. Und bei Punch & Judy, dem archetypischen Duo des Puppenspiels, dominiert eine fuchsige Kasperfigur das Bild. Die rote Mütze ist mit Nägeln fixiert und deutet den darunter liegenden Holzkopf an.

Voss‘ Ausstellung im Westflügel gibt sich gänzlich unprätentiös. Seine Plakate sind scheinbar wahllos nebeneinander an eine Wand tapeziert. Steht man aber vor dieser aufgeschnittenen und geplätteten Litfasssäule, lädt die Fläche zum daran entlang flanieren ein, zeigen sich die Plakate als Schaufenster, die den Blick in fantastische theatrale Welten eröffnen. Und nicht selten wird man sich beim Gedanken ertappen: „Das Stück muss ich sehen.“
Robert Voss: Theaterplakate
Dauerausstellung
Lindenfels Westflügel
www.myspace.com/westfluegel

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.