It\’s a Woman\’s World – She\’s a Man\’s Bitch?

„Krasse Töchter. Mädchen in Jugendkulturen.“ beleuchtet die Geschlechterverhältnisse in Hardcore, Gothic, Hip-Hop und Co.

Jugendkulturen sind, grob gesagt, Gruppen gemeinsamen Stils, der sich oft in der Neigung zu einer bestimmten Musik begründet. Spielt Geschlecht hier eine Rolle? Ist Jugendkultur gleich Jungskultur, wie im Klappentext von Krasse Töchter nahegelegt wird? Das sind zwei der Fragen, die das Buch aufwirft, und die gleichzeitig auch der/die LeserIn an das Buch richtet. Wenn es denn stimmen sollte, dass Jugendkulturen Jungskulturen sind, stellt sich aber noch eine weitere Frage. Nämlich die, ob die in den Szenen beteiligten Mädchen Gemeinsamkeiten haben und wie sie jeweils ihre Rolle reflektieren. (Freilich ist auch das Selbstverständnis der Jungen von Interesse. Dies war aber nicht das Thema des hier besprochenen Buches.) Es überrascht sicher kaum, dass man nach der Lektüre verallgemeinernd festhalten kann: In unterschiedlichen Gruppen spielt das Geschlecht auch eine unterschiedliche Rolle.

Nach theoretischen Beiträgen wird gleich im zweiten der insgesamt sechs Teile deutlich, dass es mit der behaupteten männlichen Dominanz in den Jugendszenen so eine Sache ist, denn bei Visual kei, Gothic und den Ladyfesten ist Weiblichkeit das Gebot der Stunde; wenn auch freilich unter verschiedenen Aspekten. Das hindert einige Mädchen in den Gefilden, in denen auf die passende Kosümierung gesteigerter Wert gelegt wird, aber nicht daran, sich defizitär zu fühlen: Wenn die Jungs sich nur ein bisschen schminkten, könnten sie so ohne viel Aufwand etwas Besonderes sein, während die Mädchen Stunden mit ihrem Styling zubringen müssten – nur um sich dann in optischer Hinsicht einer großen Konkurrenz gegenüber zu sehen. Bei den Ladyfesten wiegt das Outfit sicher nicht so schwer, zumindest liest man hier weniger von Lieblingsklamotten als vielmehr von politischen Intentionen.

Die Überleitung zu den weniger femininen Subkulturen wie Hardcore, Skinhead, Metal und Fussball bildet Bernadette La Hengst mit Betrachtungen zu ihrem Leben und zu Frauen im Musikgewerbe. In diesem Abschitt über die maskulinen Szenen werden auch die Involviertheit von Mädchen in rechten Kreisen geschildert sowie deren biographische Hintergründe ausgewertet. Es wird ein Zusammenhang zwischen Weltanschauung und bestimmten Erlebnismustern in der Familiengeschichte vermutet, ein Ansatz, der hier mangels fachlicher Eignung nicht bewertet werden kann, aber wenig überzeugen konnte. Vergleichsweise großen Raum nimmt danach der Hiphop ein. Schließlich werden die Medien und mögliche Mädchen-Medien-Projekte thematisiert und ein Ausblick auf Jugendarbeit und Geschlechterverhältnisse gegeben. Dieser bunte Reigen kommt in ganz verschiedenem Gewand daher: Berichte, Portraits, Hintergrunddarstellungen und Interviews werden durch viele Fotos und Liedtexte aufgepeppt, so dass gar nicht erst der Eindruck einer Aufzählung entsteht.

Die Ansatzpunkte der einzelnen Beiträge sind dabei so verschieden wie die beschriebenen Phänomene. Marion Schulze (Mädchen im Hardcore: Not Just Boys‘ Fun?) etwa gelingt es vortrefflich, jahrelange eigene Erfahrungen im Hardcore und die theoretische Perspektive zusammenzubringen. Andere wie Nadja Madlener (We Can Do – Mädchen und junge Frauen in der Graffiti-Szene) haben eher den Blick von außen, sind aber dadurch freilich nicht weniger interessant. Spannend ist es, wenn die Jugendlichen selbst befragt werden und noch spannender, wenn sie aufgefordert werden, ihre eigene Rolle zu beschreiben und zu hinterfragen. So findet sich im Rockabilly bisweilen eine diffuse Sehnsucht nach alten Zeiten. Behauptet wird von einigen der jungen Frauen, dass sie damit auch eine klare, „klassische“ Rollenverteilung akzeptieren könnten. Wahrscheinlich werden sie dennoch beim nächsten Treffen nicht fehlen, um stattdessen daheim den Herd zu hüten.

Also findet sich ein vielfältiges Bild, wie es sich sicher kaum anders hätte präsentieren können. Die Frauen sind mal mehr integriert und mal weniger – abhängig von einer Vielzahl von Faktoren. Hier können sie gleich mitmachen, dort erst nach zähem Selbstbehauptungskampf teilhaben und woanders sind sie eben eher Schmuck. So kennen wir es nicht nur aus der richtigen Welt, sondern auch aus den Subkulturen der Erwachsenen mit all ihren Lebensabschnittsbefindlichkeitsgemeinschaften. Und die Mädchen in den Jugendkulturen haben mit den anderen eines gemeinsam: Dass nach den Frauen in der Gesellschaft und ihren Nischen immer noch gefragt werden muss, da das Normale und Unmarkierte immer noch männlich ist und Menschen nicht einfach Menschen sind.

Gabriele Rohmann (Hg.): Krasse Töchter. Mädchen in Jugendkulturen.
Archiv der Jugendkulturen
Berlin, 2007
306 S. – 25,00 €

www.jugendkulturen.de


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