Brillanz und Vakuum

Esa-Pekka Salonen leitet das Philharmonia Orchestra zu einem sehr finnischen Konzert mitten in London an

Das Londoner Philharmonia Orchestra (Foto: Richard Haughton / Philharmonia Orchestra)

Die Dramaturgie des Konzertes erscheint auf dem ersten Blick sehr schlüssig: Vor die aus dem Werk Sibelius´ herausragende 2. Sinfonie stellt man das Cellokonzert von Antonin Dvořák. Dessen Werk ist eines der romantischen Vorbilder von Jean Sibelius. Zum Auftakt gibt es Ludwig van Beethovens Ouvertüre Namensfeier, ein Werk, welches Beethoven 1815 vollendete. Also ein reizvoller Streifzug durch die Romantik und 150 Jahre Musikgeschichte. Die 2.900 Sitzplätze der imposanten Royal Festival Hall des Southbank Centers sind trotz der nachmittäglichen Zeit und des strahlenden Wetters sehr gut besetzt.

(Fotos: Richard Haughton / Philharmonia Orchestra, Royal Festival Hall: Steffen Kühn)

Esa-Pekka Salonen beginnt zurückhaltend, behutsam arbeitet er Beethovens Themen heraus. Eng verbunden sind diese Themen mit Beethovens einziger Oper Fidelio, wo er bereits Teile aus Schillers Text Ode an die Freude benutzt, weitere Themen weisen dann direkt auf Beethovens Neunte, welche er erst 1827 vollendete. In Dvořáks Cellokonzert beginnt sich das Philharmonia Orchestra richtig zu entfalten, die Streicher erreichen eine Klarheit, welche an hohe Soprane erinnert. Alban Gerhardt am Cello fällt gegen die hohe Professionalität des Orchesters leider etwas ab, ihm gelingt es nicht wirklich, eigene Akzente zu setzen.

Dann Sibelius: Die zweite Sinfonie ist eines der intensivsten Werke des Komponisten. 1902 uraufgeführt, projizierte man damals die verzweifelten Nationalgefühle der Finnen in die pathetische Musik, Sibelius selbst hat den Mythos, in seine Musik Widerstand gegen die russische Vereinnahmungspolitik gelegt zu haben, nie bestätigt. Aber sei´s drum, die 2. Sinfonie ist für die Finnen Volk ein wichtiges Werk. Die Aufführung unter dem finnischen Ausnahmedirigenten Esa-Pekka Salonen gerät dann zum alles überdeckenden Erlebnis. Behutsam dosiert Salonen die vielen Orchestertuttis der heroisch-pathetischen Musik, um in einer genialen Dramaturgie den fulminanten Schluss ausspielen zu können. Wie ein guter Baumeister, der die Teile des Ganzen trennt ohne die Einheit aus dem Blick zu verlieren, schichtet Salonen die Stimmen transparent aufeinander. Als Meister der Kontraste zeigt er sich, wie er Pausen nutzt, um Themen ausklingen zu lassen, besonders intensiv geschieht das bei den tiefen Linien der acht Kontrabässe, welche zum Teil wie große Pauken dröhnen. Man hat manchmal den Eindruck, dass Salonen improvisiert, so reizvoll und eigenwillig setzt er Pausen und Kontraste. Deutlicher hätte Esa-Pekka Salonen nicht herausarbeiten können wie sich Sibelius mit der 2. Sinfonie von seinen romantischen Vorbildern absetzt. Da schimmert die Moderne durch und an dieser Stelle ist die Dramaturgie des Konzertes dann doch nicht mehr so schlüssig. Da wünscht man sich mehr Heutiges und die Frage bleibt, warum uns ein ausgewiesener Kenner und Förderer der Neuen Musik wie Esa-Pekka Salonen da in einem Vakuum zurücklässt.

Ludwig van Beethoven: Ouvertüre Namensfeier, op. 115

Antonin Dvořák: Cellokonzert, op. 104

Jean Sibelius: 2. Sinfonie, op. 43

Philharmonia Orchestra

Dirigent: Esa-Pekka Salonen

Cello: Alban Gerhardt

23. Mai 2010 Royal Festival Hall London


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