Zwischen Stilmix und musikalischen Phantasien

Jazzanova und Hyperactive Kid treten bei den Leipziger Jazztagen auf

Hyperactive Kid (Foto: Natalie van Sasse van Ysselt)

Die 34. Leipziger Jazztage beschwören in Ihrem Programm die Deutsche Einheit, aus 20 Jahren gemeinsamer Bundesrepublik generiert man das Motto Klangpunkt Deutschland. Nun ist es generell eine schwierige Sache Festivals alljährlich unter ein plausibles Motto zu stellen, meist wird versucht, künstlerische Themen unter einem Dach zu bündeln. Die künstlerischen Themen sucht man bei den 34. Leipziger Jazztage vergeblich, aber was soll´s man kann sich ja auch ohne eine künstlerische Klammer auf das Erlebnis Jazz einlassen.

Jazzanova zieht am Samstagabend Hunderte ins Werk II – die neue Lokation im Seitenflügel des ehemaligen Fabrikgeländes ist wunderbar geeignet für die Art Party, welche die mittlerweile weltweit agierende Jazzformation aus Berlin im Gespann mit Paul Randolph und DJ Jürgen von Knoblauch für die Jazztage konzipiert hat. Jazzanova´s Stilmix aus Jazz, Soul, und dem Club Sound der Neunziger kommt gut an. Da hört man außerdem etwas von Jethro Tull, Ray Charles oder James Brown. Paul Randolph übertreibt es dann ein wenig, mit Sonnenbrille und rotem Seidenhemd tanzt er sich neben dem Gesang durch die bekannte Jazzgeschichte. Das wird schnell langweilig und viele nutzen die Gelegenheit die durchgeschwitzte Halle zu verlassen.

Mehr Innovation bietet dann die Formation Hyperactive Kid. Wer sich schon einmal um ein hyperaktives Kind kümmern musste, kann sich ungefähr vorstellen, wie die drei Jungs klingen und auftreten. Mit einer nervösen Dichte bedröhnen sie den sympathischen Jazzkeller des Telegraphs. Als wenn die schrägen Pizzicato Sounds der E-Gitarre und die dröhnende Klarinette nicht schon genug wären, greift man zu einem grellroten Megaphon und legt ein kosmisches Rauschen unter die Aktionen. Philipp Gropper bläst ekstatisch Tenorsaxophon und Klarinette gleichzeitig. Was dabei herauskommt hat doch eine faszinierende Einheit und Geschlossenheit in Duktus und Rhythmus. Teilweise scheinen die drei völlig zu versinken in ihren eigenen musikalischen Phantasien und doch klingt das alles ziemlich gut zusammen. Neben assoziativen Elementen gibt es ganz abstrakte Aktionen. Die Spannungen, die dabei entstehen, sind von höchster Musikalität. Christian Lillinger erreicht dabei am Schlagzeug immer wieder eine holzschnittartigen Schärfe und Trockenheit, die sich wunderbar unter die horizontalen assoziativen Linien mischt. Diese Musik kümmert sich nicht um übliche Kategorien wie Jazz, Rock, Drum´n´Bass oder Neue Musik. Philipp Gropper, Christian Lillinger und Ronny Graupe machen´s einfach und das macht uns und sichtlich auch ihnen einfach nur Spaß.

34. Leipziger Jazztage

Klangpunkt Deutschland

25. September 2010, Werk II Leipzig


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