Alltagskrach

tanzZenit e. V. erarbeitet mit 50 Schülern des Leipziger Ostens die Theaterproduktion „Jetzt knallt’s“

Keine Angst vor Ohrensausen! (Fotos: Regine Förster)

Wenn es knallt, dann hat das auch immer einen Grund. Sei es die Unachtsamkeit eines besonders verträumten Autofahrers, Naturgewalten, die sich in Form von Blitzen an den heimischen Bäumen auslassen oder die Schuld eines alten Motorrads, welches laut knatternd durch die Straßen heizt und der Auspuff einem glauben macht, es würde jeden Moment explodieren. Ein Knall kann viele Ursachen haben, doch die Wirkung ist immer dieselbe: er dringt laut peitschend durch den Gehörgang bis ganz tief in den Kopf derer, die sich in seiner Nähe aufhalten, meist mit recht unangenehmen Nachwirkungen.

Vor Ohrensausen und Hörstürzen muss man bei dem Kinder- und Jugendtheaterstück Jetzt knallt’s, welches vergangenes Wochenende im Spinnwerk Premiere feierte, jedoch keine Angst haben. Fünfzig Schülerinnen und Schüler zwischen 12 und 28 Jahren, allesamt aus dem Leipziger Osten, haben sich gemeinsam mit den vier Projektleiterinnen Johanna Gebauer, Sophia Rändler, Udine Förster (tanzZenit e.V.) und Nina Maria Föhr, dem Theaterpädagogen Paul Lederer und dem Medienpädagogen Jochen Janus über zwei Schuljahre hinweg so einige Gedanken über Theater und Tanz gemacht. Fotoleinwände, die sich die Zuschauer vor dem Einlass ansehen können, dokumentieren dabei, wie intensiv die Arbeit mit der doch recht durchwachsenen Gruppe gewesen sein muss. In den vier großen Probenphasen sind sich die Kinder und Jugendlichen näher gekommen und haben sich ausgetauscht über Dinge, die sie beschäftigen. Und so unterschiedlich die Meinungen über wichtige Dinge sind, die es auf die Theaterbühne schaffen sollten, ist auch die Gruppe selbst. Es treffen bei dem Projekt jüngere und ältere Schüler aufeinander, geistig Behinderte und Nichtbehinderte. Schüler der Förderschule am Thonberg, des Humboldt Gymnasiums, der Neuen Nikolaischule und der Gemeinnützigen Bildungsgesellschaft für Gesundheits- und Sozialberufe. Gemeinsam erarbeiteten sie ein Theaterstück, in dem sie sich alle gleichberechtigt ausdrücken können. Was für den ein oder anderen Erwachsenen Zuschauer vielleicht banal wirken mag, ist für die Darsteller, die alle an den Problematiken des Stückes mitgearbeitet haben, sichtbar wichtig. Sie nehmen ihr Spiel sehr ernst und vergessen dabei trotzdem nicht den Spaß, den das Projekt ja immerhin auch machen soll.

In vier Gruppen sind die Schüler auf der Bühne eingeteilt, die sich durch ihre verschiedenfarbigen T-Shirts unterscheiden: rot, grün, blau und lila. Zu Beginn treten sie beim Ballspiel gegeneiander an, dann beginnt die Diskussion: Was wollen wir denn eigentlich zeigen in unserem Stück? Da jede Gruppe ihre ganz eigenen Vorstellungen hat, zeigt eben auch jede, was sie bewegt und bedrückt. Während für die rote Gruppe noch das kindliche Streichespielen und Necken zwischen Jungs und Mädchen im Vordergrund steht, beschäftigt sich die lila Gruppe mit einer ganz verzwickten Beziehungsproblematik: Was tun, wenn sich deine zwei besten Freunde in dich verlieben? Und welcher ist denn nun der Richtige? Bei den Jungs und Mädchen in blau wiederum steht das Thema Mobbing in der Schule im Zentrum, während die grüne Gruppe sich alsbald in einem spannenden Piratenabenteuer wiederfindet: Wer rettet nur die Prinzessin vor dem gefährlichen Piraten (der nebenbei bemerkt eine ganz fabelhafte Figur gemacht hat) und wie finden sie wieder raus aus dem vom Erdbeben erschütterten Dschungel?

So ordnen sie ihr Spiel in kurzen Szenen, wobei eine ausgewogene Mischung aus Spaß und Ernst zustande kommt. Wenn die drei frechen Jungs in rot die Mädchen mit fiesen Jungenstreichen ärgern (und die Mädchen es natürlich nicht versäumen, sich zu rächen), und dann auch noch die falschen den Ärger abbekommen, steht dies im guten Kontrast zu einer bedrückenden Darstellung der inneren Zerrissenheit eines gemobbten Schülers, welcher denkt, jeder würde ihn hassen. Unterstützt wird ihr Spiel in verschiedenen Szenen von Videoeinspielern, die das Gezeigte noch unterstreichen sollen. Die Leinwände bilden die Darsteller dabei selber, entweder indem einer Gruppe ein weißes Tuch übergeworfen wird, oder durch große weiße Stellwände, die sie in einer geschickten Choreografie an ihre Plätze befördern. Die Kinder und Jugendlichen wollen aber nicht nur über ihre Probleme sprechen, sondern auch zeigen, was sie können. So kommt es zu einem Breakdance-Battle und einer Szene, in welcher die Jugendlichen mithilfe von Tonnen, Schlaghölzern und Besen eine musikalische Performance bieten.

Im Vordergrund von allem steht der Aspekt der Bewegung: Wie drücke ich mich aus auf der Bühne? Wie kann ich meinen Körper einsetzen? Wie das souveräne Spiel vermuten lässt, hat das Projekt dazu beigetragen, dass die Schülerinnen und Schüler gewachsen sind und sicher so einiges an Selbstvertrauen mit auf den Weg genommen haben. Und wem das jetzt zu viel Gerede und zu wenig Krach war, der kann ja die Butterbrottüte nehmen, welche es zur Eintrittskarte dazu gab, und diese – ganz nach Anweisung der Stempel auf ihr – aufblasen um sie dann mit einem lauten Knall zu zerplatzen.

Jetzt knallt’s

R: Johanna Gebauer, Sophia Rändler, Udine Förster, Nina Maria Föhr, dem Theaterpädagogen Paul Lederer, Jochen Janus.

Mit: 50 Schülerinnen und Schüler aus dem Leipziger Osten – Förderschule am Thonberg, Neue Nikolaischule, Humboldt-Gymnasium und von der Gemeinnützigen Bildungsgesellschaft für Gesundheits- und Sozialberufe (BGGS).

Premiere: 17. April 2011, Spinnwerk Leipzig


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