Manege frei!

Das Figurentheater-Trio Feisel/Fregin/Hamann lassen in „Projekt Z! Zirkus Šardam“ einen Jahrmarkt aufleben

Foto: Anna Fregin / PR

Geben Sie es zu: Sie waren seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr im Zirkus! Dabei kann man sich an den Clowns und Artisten doch nur schwer sattsehen. Dieser Meinung sind auch das Figurentheater-Trio Feisel/Fregin/Hamann. Unter Regie von Hendrik Mannes bringen sie einen bunten Zirkusabend auf die Bühne des Lindenfels Westflügel, dem es weder an Humor, noch an Groteskem fehlt. Das Stück Projekt Z! Zirkus Šardam ist frei nach den Texten des russischen Schriftstellers Daniil Charms inszeniert. Doch auch die Tragik lässt nicht lange auf sich warten: Im Stück werden ebenso Gedichte des im sowjetischen Gefängnis verhungerten Autors rezitiert, diese untermauern die Zirkuskomik und hinterlassen einen seltsam bitteren Nachgeschmack.

Erster Akt: Puppenzirkus. Schon das Bühnenbild verspricht Aktion. Verschiedengroße Metallkugeln schmücken die Bühne, am Schlagzeug hängt eine große Ratte aus Gummi. Im Hintergrund kann man eine Marionette sehen, einen kleinen Jungen mit unglaublich durchdringendem Blick. All das soll im Laufe der Inszenierung noch dazu beitragen, die Zuschauer mit auf eine Reise in den Zirkus des Skurrilen zu nehmen. Doch was den Zirkus zum Leben erweckt, sind immer noch die Menschen. Eine Frau im rosafarbenen Tütü (Anna Fregin) schlendert über die Bühne, mit ihr ein Mann im obligatorischeren rot-weißen Ganzkörperbadeanzug (Florian Feisel). Und dann ist da noch der Direktor (Christoph Hamann), der in Jeans und T-Shirt eher weniger nach großem Spektakel aussieht. Mit viel Ideenreichtum lassen sie den Zirkus auf der Bühne aufleben und sorgen für laute Lacher. Und auch an musikalischer Begleitung mangelt es an diesem Abend nicht. Komische Schlagzeugeinlagen, bei denen die drei auf der Bühne einfach nicht in denselben Takt kommen, Geigenspiel auf einem Fuchsschwanz und ein musizierendes, dressiertes Krokodil sorgen für die altbekannte Zirkusmusik.

Als die Show endlich losgehen soll, redet der Mann im Badeanzug immer wieder dazwischen. Es stellt sich heraus, dass er, genannt Vertunov, gern dabei wäre. Bellen wie ein Hund könne er. Und blöken wie ein Schaf. Und außerdem, das macht ihn zur Attraktion, könne er fliegen wie ein Vogel. „Können Sie so eine Nummer gebrauchen?“, fragt er den Direktor immer wieder. Dieser lässt sich Vertunovs Künste vorführen. Doch nachdem der angehende Artist bei allem kläglich scheitert, soll er einfach den Zirkus verlassen. Natürlich lässt er es sich nicht nehmen, trotzdem mitzuspielen. Tableauartig sind diese Szenen angelegt, beide Darsteller stehen nebeneinander, blicken und rufen in die imaginären Tribünen des Zirkuszelts hinein und erschaffen so den Raum um sich neu. Und dann kann es losgehen: Manege frei!

Das Stück, von Daniil Charms ursprünglich als Marionettenstück angelegt, ist hier vor allem auf den Körpereinsatz der Darsteller angewiesen. In einer Mischung aus darstellendem Spiel, Figuren- und Objekttheaterelementen entsteht eine bunte Zirkuswelt voller Überraschungen und Faszination. Die erste Nummer wird angekündigt, und die Frau im Tütü macht sich an den Metallkugeln zu schaffen. Ehe man sich versieht, ist sie auch schon hineingekrochen und rollt in ihr hin und her. Vertunov tut es ihr gleich, kriecht in die größere Kugel und rasch beginnt ein Kampf zwischen den beiden. Die zum Leben erweckten Kugeln stoßen sich immer wieder gegenseitig an, kullern voreinander weg und scheinen ein eigenes Gefühlsleben zu entwickeln. Allein dadurch entsteht eine Komik, die das Zuschauen zur Freude macht. Als Vertunov dann auch noch zu der Frau in die Kugel steigt – niemals hätte man gedacht, dass sie beide da reinpassen –, ist die Attraktion perfekt.

Das Stück spielt vor allem mit einer Mischung aus Situationskomik und starken Bildern. Wenn der Frau in der Kugel kleine Puppenarme und -beine angeheftet werden, ist das vor allem witzig. Kommt aber beispielsweise die Marionette zum Einsatz, entstehen wunderbar anmutende Szenen. So tanzt sie virtuos zur Musik auf der Bühne, was von der Spielerin Hand-, Fuß- und auch Mundeinsatz verlangt, oder balanciert auf einem unsichtbaren Seil hoch über dem Boden.

Zweiter Akt: Unterwasserwelt. Nach einem witzigen und dennoch nachdenklichen ersten Akt folgt nun also ein zweiter, stellenweise etwas schleppender. Durch blaues Licht wird ein riesiges Aquarium auf der Bühne imitiert, der Direktor kündigt ein großes Taucherspektakel an. Hier kommt das Stück leider nicht richtig voran, einzig Vertunov im Krokodilkostüm schafft es, die Szenen aufzulockern. Dennoch lohnt sich ein Besuch in dem Zirkus, der gern immer wieder ins Groteske abgleitet. Mit dem Stück entsteht ein Spektakel auf der Bühne, das es nicht nur schafft, die Zuschauer an fröhliche Kindheitstage zu erinnern. Mit dem raffinierten Einsatz verschiedener Theaterelemente wird Projekt Z! Zirkus Šardam zu einem Stück, ganz im Sinne seines Autors Daniil Charms: „Gegen den gesunden Menschenverstand und gegen die Welt des Mittelmaßes, der Langeweile und der aufgeblasenen Solidarität.“

Projekt Z! Zirkus Šardam

R: Hendrik Mannes

Mit: Florian Feisel, Anna Fregin, Christoph Hamann

26. April 2012, Westflügel


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