We don’t party, we part-ey!

Zum Auftakt der neuen Spielzeit des Schauspiels Leipzig zeigt sich ein recht unaufregender „Othello“ auf dessen Großer Bühne

Hartmut Neuber, Felix Axel Preißler, Mathis Reinhardt (Fotos: Rolf Arnold)

Ein Mann in gut gebügeltem Anzug gibt sich gut gebügelt und öffnet sich ein Dosenbier. Wenn das mal keine aufrichtige Sozialkritik ist, denk ich mir, dann wird der Fähnrich betrunken gemacht – es gibt auch Konfetti – Didgeridoos erklingen, und das Publikum wackelt im Takt mit dem kleinen Zeh.

Christoph Mehler hat Regie geführt in dieser ersten Produktion auf der Großen Bühne im Schauspielhaus: Shakespeares Othello. Ein konventioneller Stoff für einen konventionellen Raum. Als man diesen das letzte Mal betreten konnte, war noch der weiße Operationssaal von Sebastian Hartmann aufgebaut, jeder sah jeden und das war sehr spannend, wenn jemand popelte, und sehr unangenehm, wenn man selber dieser Jemand war. Jetzt laden wieder plüschige Sessel das Publikum dazu ein, sanft in die Vorstellung gewiegelt zu werden.

Einzig klinisch am Raum ist nunmehr die Bühne, das Setting für Shakespeare wurde geglättet und poliert, ein schwarzer Kubus mit weißer Rückwand, im Boden ist ein großes quadratisches Wasserbecken eingelassen. Es ist Othello, der da hinten im Wasser steht, es reicht ihm bis zu den Knöcheln, es soll ja schon mal jemand in einem Tümpel ertrunken sein. Er ist das spannendste optische Element im intelligenten Schattenspiel, da er kein Licht bekommt und wirkt wie aus der Bühne herausgeschnitten. Jede kleine Geste zeigt große Wirkung, und am größten wirken sie stumm. Othello redet sehr viel, es geht irgendwie stets um Desdemona, die stolpert beim ersten Auftritt und tritt ab da nur noch barfuß auf. Der Text wurde dankbarerweise nicht glattgestrichen, dafür gekürzt, ja, aber das kaum spürbar, so laden langwierige Textflächen dazu ein, im Programmheft zu blättern oder diesen Text hier zu schreiben.

Am Anfang gibt es noch Geheimnisse, die neugierig machen, doch sie alle werden aufgelöst. Othello tritt ins Licht und offenbart sich als allzu menschlich. Das tragische Taschentuch wird nicht nur einige Male groß gezeigt, sondern auch mehrfach erwähnt. Ich betone hierbei den Regieeinfall, Improflächen für Schauspieler zu schaffen, indem ein und derselbe Wortwechsel unaufhörlich wiederholt wird, bis eine spielerische Entwicklung eintritt. Bei einer anderen Besetzung hätte das sicherlich gewirkt.

Der Abend erinnert an eine „Sitzparty“ oder auch „-partey“, die Kategorie von Feier, wo es nur Becks Lemon gibt, mit einigen wenigen, zwar hitzigen, von außen beobachtet aber irgendwie uninteressanten Gesprächen. Othello und Desdemona sind die Wilden, die dann liebestrunken in den Pool springen, aber da wurde gerade das Wasser abgelassen und Othello ertrinkt allen Möglichkeiten zum Trotz.

Othello

Regie: Christoph Mehler

D: Bernd-Michael Baier, Pina Bergemann, Matthias Hummitzsch, Hartmut Neuber, Felix Axel Preißler, Mathis Reinhardt, Annett Sawallisch, André Willmund

Premiere: 3.10.2013, Schauspiel Leipzig, Große Bühne


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  1. Immer dieses Gemecker, meine Güte. Man mag vom Stück halten was man will. Aber Hartmann ist weg und sollte nun nicht ständig als irgendein Maß aller Dinge betrachten werden. Das nervt.“Als man diesen (Saal) das letzte Mal betreten konnte, war noch der weiße Operationssaal von Sebastian Hartmann aufgebaut, jeder sah jeden und das war sehr spannend, wenn jemand popelte, und sehr unangenehm, wenn man selber dieser Jemand war.“ Es gab eben ein letztes Mal und nun gab es ein neues erstes. Erstmal abwarten und nicht gleich wieder von Beginn alles verreißen…

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