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Im neuen Format der Cammerspiele, LabBOX, spielt „Antigone+Chor“ mit Perspektiven, Räumen und Gedanken zur Rolle des antiken Chors

Darstellerinnen Christin Kleinelanghorst, Isabel Stunder, Lydia Turban (Foto: Clemens Patzwald)

Das Publikum folgt den Pfeilen auf dem Boden in den Raum. Zuschauerstühle sind aufgebaut, auf ihnen sitzen vier Frauen in bunten Bomberjacken, die Kapuzen aufgesetzt. Hell erleuchtet ist ein gedeckter Kaffeetisch mit Kuchen. Dahinter eine Tonstation mit mehreren Kopfhörern, aus denen leise Stimmen dringen. Das Licht auf den Frauen geht aus, und per Fußtrommeln entsteht ein Donnergrollen. Ein fein gewebter Abend beginnt. Die vier Frauen spielen Antigone+Chor, wieder und wieder, in viertelstündigem Takt beginnen sie von Neuem.

Der Abend ist der Auftakt des neuen Formats LabBOX in den Cammerspielen Leipzig, das Raum für Experimente bieten soll. Neue Perspektiven auf Theater, so kann man das verstehen. Die Inszenierung von Veronika Gräwe macht den Anfang. Die Vorstellungen sind einmalig, und die Inszenierung arbeitet damit geschickt, indem sie mit Wiederholungen spielt.

Der Zuschauer kann gehen und bleiben, sich im Raum bewegen, die Perspektive wechseln. Er kann den Frauen zusehen und zuhören, sich an den Kaffeetisch setzen, die Kopfhörer aufsetzen und durch diverse eingesprochene Texte eine Art Kommentarfunktion zum Sichtbaren erhalten. Der Zuschauer bewegt sich mit der Sicherheit durch den Raum, unzählige Möglichkeiten zu haben.

Die Abläufe sind stark choreographiert, reich in den Mitteln, dabei extrem reduziert. So werden die Requisiten knapp gehalten, aber vielfältig genutzt. Die Polyester-Bomberjacke ist nicht nur Kleidungsstück des Chores, sondern auch Farbtupfer im Bühnenbild und musikalisches Mittel. Ebenso arbeiten die vier Darstellerinnen mit ihrem Körper, ihren Stimmen. Es wird chorisch und einzeln gesprochen, mit der Sprache gespielt, mit Lautstärke und Dynamik. Die Füße trommeln einen Applaus oder ein Donnergrollen, wenn die Loops von vorne beginnen, sie enden stets mit einem wortwörtlichen Abgesang. Die Frauen formieren sich um und neu, sind in steter Bewegung, aber nie unruhig oder hektisch.

Die Antigone wird im Kurzabriss erzählt, die Handlung auf das Wesentliche heruntergebrochen, denn der Fokus liegt vielmehr auf der Rolle des Chores. So findet jeder Loop eine Variation, Texte werden beiseite gelassen, neue eingeführt. Jeder Text bietet eine neue Facette für den Chor als Kommentator, Repräsentanten des Volkes, allwissend und stetig fragend.

In den Ausführungen, so strikt und deutlich sie auch inszeniert sind, entstehen Grauzonen durch die filigrane Arbeit an Raum, Körper, Text und Klang. Das Sonderbare: Keine Fragen bleiben offen. Das ist eigentlich schön, weil es für die allumfassende Arbeit der Regie spricht. Neue Felder werden jedoch nicht eröffnet. Ein kugelrunder Abend, abgeschlossen und vorbei.

Antigone+Chor

Regie, Text: Veronika Gräwe

Cammerspiele, Premiere: 30.01.2014


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