Alles Menschliche ist schwach

Darren Aronofskys Version des Noah-Stoffes aus dem Alten Testament lädt zum Staunen ein ― philosophische Exkurse inbegriffen

Noahs (Russel Crowe, rechts) Arche soll Menschen und Tiere vor der Sintflut retten (Fotos: Verleih)

Noah beginnt wie ein zuckender Blitz, ein Ritt durch die Genesis des Alten Testaments in einem Wimpernschlag. Die Erschaffung der Welt, Adam und Eva, Kain und Abel … CGI-Schlangen, Scherenschnitt-Optik und atemberaubende Landschaften, unterlegt mit wuchtiger Musik. Das ist erst mal beeindruckend. Auch in der folgenden halben Stunde hält Regisseur Darren Aronofsky diesen Wow-Effekt aufrecht. Er führt uns in eine Welt, die gleichsam aus einem Fantasy-Roman entsprungen sein könnte ― Herr der Ringe scheint nicht allzu fern.

Noah (Russell Crowe) und seine Familie sind Abkömmlinge von Seth, dem dritten Sohn von Adam und Eva. Er soll erst nach dem Vorfall zwischen Kain und Abel geboren worden sein, als Ersatz für Abel. Seths Nachkommen leben bei Aronofsky jedenfalls im Einklang mit der Natur, sammeln nur was sie brauchen und halten den Verzehr von Tieren für gotteswidrig. Ganz anders die Abkömmlinge von Kain: Sie glauben, dass der Verzehr von Tieren ihnen Stärke bringt. Sie beuten die Erde aus und vernichten sie damit. Leider sind sie in der Überzahl. Diese Ausgangslage könnte auch eine Reminiszenz an heutige Verhältnisse sein ― Noah als Umweltaktivist sozusagen. Doch Aronofsky will natürlich mehr als das.

Der Regisseur und Co-Autor bedient sich bei den Elementen der bekannten Bibelvorlage („von jeder Art zwei“), entwirft aber gleichzeitig seine ganz eigene Version der Geschichte. Kritisch wird es vor allen Dingen, als Noah erkennt, dass in allen Menschen das Böse wohnt und es vielleicht besser wäre alles Menschliche aussterben zu lassen. Ab diesem Punkt verliert der Film ein wenig von seiner Spannung. Naturgemäß müssen solche Überlegungen mit viel Diskussionen, leider aber auch Melodramatik, begleitet werden. Trotzdem bleibt dieser Gedankenentwurf, der so nicht in der Bibel zu finden ist, interessant.

Anthony Hopkins (links) gibt in „Noah“ als Methusalem wie so oft den weisen Zausel

Nicht so gelungen ist hingegen die Einführung eines Widersachers, der wohl vor allem aus dramaturgischen Gründen entsandt wurde. Natürlich ist Tubal-Cain (Ray Winstone) ein Nachfahre Kains und gibt sich nicht so leicht mit seiner Vernichtung zufrieden. Er und sein Gefolge sorgen für einige typische (mittelalterlich anmutende) Schlachtszenen, die aber nicht unbedingt nötig gewesen wären. Denn Noah hat auch so einige visuelle Leckerbissen zu bieten. Schon allein die Bebilderung der Sintflut ist auf der großen Leinwand ein Erlebnis (obwohl der 3D-Effekt nicht wirklich lohnt). Auch „The Watchers”, vom Himmel gefallene Engel, lässt Aronofsky effektreich in Steinbeisser-Manier durch die herrliche Landschaft Islands wandeln. Gerade diese Momente sind es, die an so manche Fantasy-Verfilmung erinnern. Doch dies stört Aronofskys Vision nur unwesentlich, und Hollywood braucht nun mal gewisse Schauwerte, um an der Kinokasse erfolgreich zu sein. In diesem Fall sind sie meistens gelungen, was auch für die Besetzung gilt. Ob man Russell Crowe mag oder nicht, er verkörpert Noah mit dem nötigen Starrsinn ohne dabei die Sympathie des Publikums gänzlich zu verlieren. Sein Look passt zudem perfekt in den Film. Ähnliches gilt für seine Frau, die von Jennifer Connelly gespielt wird. Anthony Hopkins darf als Methusalem wieder einmal den weisen Zausel geben, und Emma Watson bekommt einige melodramatische Momente, die sie gut meistert. Die Söhne Noahs (u.a. Logan Lerman als Ham und Douglas Booth als Shem) bleiben hingegen etwas blass.

Nun hat Noah in den USA allein am ersten Wochenende über 44 Millionen Dollar eingespielt, Start war dort am 27. März 2014. Dieser erste Kassenerfolg wird sicherlich auch durch die kleinen Kontroversen im Vorfeld des Kinostarts befeuert worden sein. In den Staaten gab es Entrüstung (christliche Gruppen erregten sich über die mangelnde Vorlagentreue) und in anderen Teilen der Welt sogar ein Verbot des Films im Kino (zum Beispiel im größtenteils islamischen Indonesien). Gerade mit dem Abweichen von der Vorlage erreicht der Film allerdings erst seine Tiefe. So wird die Geschichte einerseits in die Gegenwart transportiert (der ökologische Aspekt) und liefert andererseits genug Diskussionsstoff und Grundlagen zum Philosophieren (z.B. über die Menschlichkeit).

Aronofsky hat mit Noah seine ganz eigene Version des Bibelstoffes erschaffen. Sie ist bildgewaltig, wirft aber auch neue Fragestellungen auf. Dass manche dies blasphemisch finden, sollte allerdings den Kinogenuss kaum stören. Denn von einigen Zugeständnissen an die Konventionen Hollywoods abgesehen, ist der Film ein gelungener Augenschmaus.

Noah

USA 2014, 138 Minuten

Regie: Darren Aronofsky; Darsteller: Russell Crowe, Jennifer Connelly, Anthony Hopkins, Emma Watson, Logan Lerman, Douglas Booth, Ray Winstone

Kinostart: 3. April 2014


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