Superhirn Artemis Fowl geht mit „Das magische Tor“ in die – vorerst – letzte Runde
Artemis Fowl muss man niemanden mehr erklären, richtig? Und Eoin Colfer wohl auch nicht. Spätestens seit er den sechsten autorisierten Band der Per Anhalter durch die Galaxis-Trilogie geschrieben hat, kennt man ihn übers Jugendbuchgenre hinaus. Und Artemis Fowl wiederum ist so ein ausgebufftes Kerlchen mit derart bewegter Biografie, dass dessen Nachlektüre auch nicht auf den Kreis junger Menschen eingeschränkt geblieben ist. Das magische Tor heißt sein jüngster Streich und Colfer muss sich fragen lassen, wie er den tödlichen Plot und das Ausmaß potenzieller Katastrophen eigentlich immer wieder zu steigern vermag.
Wir erinnern uns: Fowl ist ein frühreifer und unglaublich intelligenter Schnöseljunge und hat eine Welt wiederentdeckt: Das elfische Unterreich. Dorthin sind die Elfen, nachdem sie vor 10.000 Jahren in einer Schlacht von den Menschen geschlagen worden sind, geflüchtet und haben sich unter der Oberfläche ihre Welt eingerichtet. Sie haben eine eigene hoch technisierte Zivilisation entwickelt, die den Menschen nicht nur technologisch voraus ist. Artemis entdeckt dies und versucht zunächst, die Elfen zu seinen Gunsten mit Erpressung auszunutzen. Später schließt er mit der Elfenwelt Frieden und ist ihr Partner. Denn natürlich läuft auch dort nicht alles rund, versuchen verschiedentliche Superkriminelle, an die Macht zu kommen oder das Reich gleich ganz zu zerstören.
Im vorletzten Band (Der Atlantis-Komplex) war Artemis von einer seltsamen Krankheit befallen, die ihn zum zwanghaft abergläubischen Numerologen machte. Dabei war seine kognitive Brillanz gerade besonders gefragt, weil ein durchgeknallter Ex-Militär die Unterwasserstadt Atlantis fluten und nebenbei den Dämonenzauberer Nummer 1 befreien wollte. Im neuesten Band der Serie – es soll laut Colfer auch der letzte sein – geht es um Das magische Tor, mit dem so eine Art Götterdämmerung den zivilisatorischen Bruch ankündigt. Als die Elfen einst in die Innererde flüchteten, erschufen sie diesen Durchschlupf, um die Menschen an ihrer Verfolgung zu hindern. Das Portal wird von den Geistern der toten Soldaten bewacht. Wie der Zufall so will, befindet sich das Tor auf dem Landbesitz der Fowls und eine oberfiese Wichtelin plant, die Untoten der Elfenarmee für ihre Zwecke zu wecken und zu reanimieren. Dabei muss Artemis zugleich in einer Nacht seine Familie beschützen und die Krieger bannen. Es geht ums Ganze, zum Glück hat er seine über- und unterirdischen Freunde zur Seite.
Colfer ist mit dem Artemis-Zyklus ein eigener literarischer Entwurf einer Hohlwelttheorie gelungen – man denke nur an Poes Die Abenteuer des Arthur Gordon Pym oder Vernes Reise zum Mittelpunkt der Erde. Dabei zeigt sich sein Zugang als hochoriginell, mixt er doch irische Elfen- und Feenlegenden mit Fantasy- und Science-Fiction-Elementen. Absurd überzogene Charaktere und fetzige Dialoge bestimmen den Grundton der Geschichten. Dieser humoresken Grundstimmung zum Trotz ist die Handlung in jedem Buch von tödlichem Ernst geprägt. Behutsam geht der Autor mit niemanden um – immer wieder sterben auch Hauptfiguren weg. Mit jedem Buch deutet sich eine neue Katastrophe an, ganz so, als ob Colfer an der Panikschraube noch ein bisschen mehr dreht. Diesen Achterbahnfahrten aus Spannung und Witz zu folgen, macht die Serie zu einem viel zitierten „Lesevergnügen“. Wird von Artemis vielleicht wirklich nicht mehr zu lesen sein, dann kann man sich immerhin weiter an Colfers Schreibe erfreuen. Er hat nicht nur einen neuen Per Anhalter durch die Galaxis nachgeschoben, sondern mehrere neue literarische Welten erschaffen.
Eoin Colfer: Artemis Fowl. Das magische Tor
Ullstein
Berlin 2013
336 S. – 19,99 Euro
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