Dann können wir auch spielen: Die Improtheatergruppe Sowiesoda bindet das Publikum intensiv ein
Kriminalfälle haben es so an sich, dass sie von denen, die daran arbeiten, gelöst werden wollen. Damit hören die Gemeinsamkeiten zwischen dem klassischen Krimi und der Darbietung des Leipziger Impro-Theaters Sowiesoda aber auch schon auf. Denn der Zuschauer wusste während der Vorführung im Lindenfels Westflügel nicht, wohin die Detektiv-Arbeit führen würde.
Die Ursprünge des Improvisationstheaters reichen zurück bis in die Antike. Doch wurde diese Kunstform von festen Strukturen in der Theaterlandschaft ins Abseits gedrängt. Gerade dies ist aber ihre Stärke: die Uferlosigkeit und das spontane Überraschungsmoment machen das Impro-Theater zu etwas Einzigartigem. Sowiesoda schlägt mit seiner Kreativität und viel Humor in diese Kerbe. Das bestätigt auch der große Andrang an Menschen, die sich zu dieser Vorstellung auf dem Boden zusammenkauerten.
Die Bühne ist karg, kaum breiter als ein Floß. Eine Frau, die angesichts ihres Kostüms aus Downtown Abbey stammen könnte, moderiert uns durch den Abend. Die übrigen drei Schauspieler agieren ohne Verkleidungen. Sie hangeln sich mit Gegenständen durch das Spiel, die ihnen das Publikum zuwirft: ein Schirm, der später Mordwerkzeug wird, eine merkwürdige Holzfigur und eine Murmel.
Auch mit unsichtbaren Begriffen wird hantiert, um die drei Fälle aufzuklären. Da ist das Mutterschiff, der Gott Shiva und das Hundertwasserhaus in Magdeburg. Was sich wie ein Fiebertraum anhört, in dem auch die absurdesten Dinge einen Zusammenhang ergeben, ist ein gelungener Tanz mit der Fantasie.
Es scheint, als mache Sowiesoda seinen Namen zum Programm – eine Theatergruppe, die ganz beiläufig da ist und wenn sie schon da ist, kann sie eben auch mal etwas wegspielen. Sie wirkt wie ein Katalysator des Publikums, das mit kindlicher Neugier auf das Bühnentreiben schaut wie in einen Zerrspiegel auf dem Jahrmarkt. Doch all das täuscht. Anders als ein Spiegel wirft die Gruppe die Einfälle des Publikums nicht zurück. Sowiesoda folgt nicht blind den Ansagen des Publikums, sondern transformiert sie.
Zwar haben wir den Eindruck, selbst zu Darstellern, Drehbuchautoren, Regisseuren und Akteuren zu werden. Wir konstruieren eine Geschichte und gespielt wird sie eben von Sowiesoda. Was sie von uns unterscheidet, ist jedoch mehr als die bloße Verkörperung unserer Einfälle. Denn egal, was das Publikum sagt – der rote Faden, der szenische Aufbau, das Rotationsprinzip der Schauspieler – sie sind feste, vorgeplante Konstanten im Spiel der Gruppe.
Das Improvisationstheater geht zwar davon aus, dass jeder Mensch die Eigenschaft des Erzählens besitzt. Doch baut eine Gruppe wie Sowiesoda das Rohgerüst, damit wir anschließend ein aberwitziges Tollhaus betreten können. Denn anders als Performance-Kunst ist das Improvisationstheater zwar die freieste, jedoch keine völlig unbeschränkte Theaterform. Deshalb erleben wir einen wunderbaren Abend mit hervorragenden Darstellern, die elegant wie ein Segler durch die herausfordernden Publikumseinfälle hindurchschiffen.
Wer sich davon überzeugen will, dass Sowiesoda mehr kann als einen Abend mit bester Kriminalunterhaltung zu füllen, dem sei die nächste Vorstellung am 13. November um 21 Uhr in der Wärmehalle Süd nahegelegt. Dann wird nämlich fleißig Seemannsgarn gestrickt.
Sowiesoda – Improtheater
Bar froehlich & herrlich
Lindenfels Westflügel; Vorstellung vom 10. Oktober 2014
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