Kleines, großes Weltkino

„Ephraim und das Lamm” ist ein behutsam erzählter Film für Jung und Alt. Und eine Gelegenheit, Äthiopien als Filmland näherzukommen

Der neunjährige Ephraim (Rediat Amare) tut alles, um das Lamm Chuni zu retten. (Foto: Verleih)

Äthiopien als Filmland ist in unseren Breitengraden eher wenig bekannt. Umso erfreulicher, dass endlich ein äthiopischer Film in die deutschen Kinos kommt. Ephraim und das Lamm markiert zudem noch das Langfilmdebüt von Yared Zeleke, was durchaus als gelungen gelten darf und auch in Cannes in der Sektion Un Certain Regard seine Premiere feierte (übrigens auch dort als erster äthiopischer Film).

Die Geschichte ist denkbar einfach gestrickt: Ephraim und sein Vater leben in einem Dorf im nördlichen Äthiopien. Doch die Region wurde von einer schlimmen Dürre heimgesucht, die verheerende Folgen für die Familie hatte. Die Mutter von Ephraim ist an den Folgen einer Hungersnot gestorben, und auch den beiden Zurückgebliebenen bleibt nicht viel Essen auf dem Teller. Der einzige Schatz ist das Lamm Chuni, welches von Ephraim umhegt und umsorgt wird. Die beiden sind unzertrennlich. Auch als der Vater beschließt, nach Addis Abeba zum Arbeiten zu gehen und seinen Sohn bei Verwandten zurücklässt, ist das Schaf immer an Ephraims Seite.

Doch ganz allein in der neuen Familie hat der neunjährige Ephraim erst einmal kaum Verbündete außer seinem Schaf Chuni. Nein, viel schlimmer, Chuni soll obendrein zum Feiertag des Heiligen Kreuzes geopfert werden. Mit aller Macht versucht der Junge dies zu verhindern.

Dabei wird die ganze Geschichte aus der Perspektive von Ephraim erzählt. Zuweilen werden dadurch einige Ereignisse in ihrer Härte abgeschwächt, andere tragen wiederum geradezu märchenhafte Züge. So verkauft Ephraim kurzerhand ein Huhn vom Hof der Verwandten, um davon Geld für die Zutaten zur Zubereitung von Samosas zu besorgen und mit den Leckereien wiederum genug zu verdienen, um ein Busticket in sein Heimatdorf zu finanzieren. Ohne weiter nachzudenken, ob sein Verhalten ihm oder der Bauernfamilie Schwierigkeiten bereiten könnte, ist er ganz auf sein Ziel, Chuni zu retten, fixiert. Auch ein argloser Ausflug in einen nahegelegenen Wald wirkt eher märchenhaft, obwohl Ephraims Leben dabei in Gefahr gerät.

Trotz dieses kindlichen Blickwinkels erzählt der Film eine komplexe Geschichte, lässt aber vieles in nur leisen Tönen anklingen. Dazu gehört der Tod der Mutter und die allgemein schwierige Versorgungslage der Bauern, die unter der Klimaveränderung leiden und ständig nur auf den Regen warten. Dadurch thematisiert Regisseur Yared Zeleke einen wichtigen Aspekt des alltäglichen Lebens in Äthopien ohne dabei zu dramatisieren.

Etwas unglaubhaft wirkt hingegen Ephraims scheinbar gleichbleibend positives Gemüt. Trotz des Verlustes der Eltern und seiner Heimat ist er kein allzu trauriges Kind. Das mag auch an den Darstellern liegen, die zwar einnehmend ihre meist sympathischen Figuren verkörpern, aber dennoch etwas holzschnittartig spielen. Doch letztlich tritt dieser Aspekt in den Hintergrund.

Zeleke schenkt seiner Hauptfigur Ephraim die gebührende Aufmerksamkeit, verliert seinen Fokus nie aus den Augen und liefert somit eine konsequente und gelungene Regiearbeit ab. Die Einstreuung ernsthafter Themen rundet die scheinbar harmlose Geschichte ab. Und mal eben so erweitert sich für die Zuschauer der Blick in ein noch nicht zu Tode gefilmtes Land.

Daher ist es vom Verleiher (Neue Visionen) auch konsequent, Ephraim und das Lamm von der FSK ab sechs Jahren freigeben zu lassen, so dass sowohl gleichaltrige Kinder wie auch Erwachsene in den Genuss dieses Arthaus-Kleinods gelangen können. Jetzt müssen nur noch die Kinos mitziehen.

Ephraim und das Lamm

Äthopien/Frankreich/Deutschland/Norwegen/Katar 2015, 94 Minuten

Regie: Yared Zeleke; Darsteller: Rediat Amare, Kidsit Siyum, Welela Assefa

Kinostart: 26. November 2015


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