Hach, Penélope!

In seinem neuen Film „Ma Ma“ reizt Julio Medem das Unwahrscheinliche bis zum Äußersten und scheitert nur dank seiner Hauptdarstellerin nicht

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In „Ma Ma“ spielt Penélope Cruz (Mitte) die vom Schicksal gebeutelte Magda. (Foto: Frenetic Films)

Es gibt Lichtgestalten im europäischen Kino, die bringen jede Leinwand zum Strahlen und können ganze Filme mühelos auf ihren Schultern tragen. Die spanische Schauspielerin Penélope Cruz gehört unbedingt dazu. Ihre Zusammenarbeit mit Landsmann und Ausnahmeregisseur Pedro Almodóvar dürfte hierzulande neben ein paar Hollywood-Abstechern (zwei Woody-Allen-Filme, Vanilla Sky, Fluch der Karibik 4 u.a.) wohl zu ihrer bekanntesten Arbeit gehören. Geradezu ins Schwelgen gerät das Kinoherz, wenn es sich an Volver erinnert, in dem Cruz schon 2006 eine irgendwie magische Frauenfigur verkörpert hat. Ähnliches schien ihr im Sinn gelegen zu haben, als sie sich mit Julio Medem zusammentat, um die vom Schicksal geplagte, aber lebensfrohe Magda zu verkörpern.

Denn schon in der ersten Viertelstunde des Films wird der Zuschauer mit so vielen Schicksalsschlägen konfrontiert, dass es gleich für drei Filme reicht. Magda bekommt die Diagnose Brustkrebs im dritten Stadium, was neben der Chemotherapie auch eine Entfernung der rechten Brust bedeutet. Zudem ist ihr Mann mit einer jungen Studentin auf und davon und der geliebte Lehrerjob auch Geschichte. Genug Grund also, um mal so richtig miese Laune zu bekommen. Doch Magda ist eher eine dieser Frauen, die Stärke und Lebensfreude zu einer unwiderstehlichen Mischung vermengen, die die Mitmenschen ansteckt.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass sie kurz nach ihrer Diagnose noch genug Kraft hat, einem fast Unbekannten durch dessen eigene Lebenskrise zu helfen. Denn just beim Fußballspiel ihres Sohnes erfährt der Talentscout Arturo (Luis Tosar), dass seine Tochter und seine Frau in einen Unfall verwickelt waren. Die Tochter ist sofort tot, seine Frau liegt im Koma. Jeden Tag geht Magda ihn im Krankenhaus besuchen, selbst geschwächt von ihrer Chemotherapie. Und sofort taucht im Kopf die Überlegung auf, ob solche Begegnungen nur im Kino erzählt werden können, weil sie so unwahrscheinlich erscheinen. Oder erzählt sie tatsächlich auch das Leben? Kunst wird vom Leben inspiriert, und auch in der Realität passieren die seltsamsten Geschichten. Doch bei Julio Medem kommt man nicht umhin eine gewisse Überhöhung des Lebens wahrzunehmen. Auch das darf und soll Kunst.

Denn was sich in den nächsten anderthalb Stunden weiter entspinnt, ist zu traurig-schön, als dass es in die Wirklichkeit zu passen scheint. Dass Arturo und Magda ein Paar werden, ist dabei noch ziemlich glaubhaft. Ein singender, mitfühlender Gynäkologe, der seine Patientin nicht nur am Strand besucht, sondern auch in den Swinger-Club Der Ursprung der Liebe mitnimmt, verlangt dem Zuschauer schon etwas mehr guten Willen ab. Und so geht es munter weiter. Immer haarscharf am Kitsch entlang. Doch zum Glück überstrahlt Penélope alles. Sie spielt glaubhaft und hält den Film zusammen. In ihrem Gesicht erzählt sie Lebensfreude und Tragik in einem Moment, sie ist schlicht ein Geschenk an das Kino.

So lässt man sich dann doch auf diese unwahrscheinliche Geschichte mit ihren kitschigen Nuancen, die zuweilen an eine Telenovela erinnern, ein. Eine Belohnung winkt dafür allemal. Trotz der Traurigkeit der Ereignisse entführt Ma Ma den Zuschauer in einen Lebenskosmos, der magisch wirkt. Das ist auch ganz klar sehr emotionales Kino. Doch dafür ist es ja da, das Kino – um uns zu entführen in die Unwahrscheinlichkeiten des Lebens, uns Räume zu eröffnen, die wir nicht kannten und unser Herz zu weiten. Hach, Penélope!

Ma Ma – Der Ursprung der Liebe

Spanien/Frankreich 2015, 122 Minuten

Regie: Julio Medem; Darsteller: Penélope Cruz, Luis Tosar, Asier Etxeandia

Kinostart: 30. Juni 2016, aktuell in den Passage Kinos


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