Viel Geschichte, wenig Geschichten

Bei der Premiere von Regine Dura und Hans-Werner Kroesingers „Brennende Erde“ in der Diskothek des Schauspiel Leipzig springt der Funke nicht ganz über

Brennende Erde (UA) Projekt von Regine Dura & Hans-Werner Kroesinger Regie: Hans-Werner Kroesinger, Regine Dura Ausstattung: Hugo Gretler Musik: Paul Brody Dramaturgie: Benjamin Große, Marleen Ilg Licht: Thomas Kalz Auf dem Bild: Brian Völkner, Markus Lerch, Alina-Katharin Heipe, Daniela Keckeis, Marie Rathscheck (Foto: Rolf Arnold)

Wer in dieser Produktion ein Feuer oder ein Feuerwerk erwartet, wird enttäuscht. Stattdessen sind Briketts allgegenwärtig – gestapelt auf einer Lore, als Boule-Kugeln dienend und schließlich wie Dominosteine in einer langen Reihe stehend. Das Spiel mit der Kohle wird in diesem Stück minutiös behandelt. Es ist ein böses Spiel, die tragische Geschichte des Leipziger Kohlereviers, das durch den Kohleabbau zugleich Identität für eine Region schuf, aber auch Raubbau an der Natur bedeutete.

Das dokumentarische Theater von Regine Dura und Hans-Werner Kroesinger versteht sich als „Projekt“. Viele Recherchen waren nötig, um das Projekt mit dramatischen Fakten zu bereichern. Beispielsweise die Tatsache, dass an einem Tag damals so viel Ruß produziert wurde, wie in einen Raum mit der Größe eines Fußballfeldes passt. Eindringlich wird dadurch auf die immense Luftverschmutzung zu DDR-Zeiten hingewiesen.

Doch die menschlichen Tragödien, die damit verbunden sind, spielen in diesem Stück eine untergeordnete Rolle. Die Politik und die Ausbeutung einer ganzen Region von den Anfängen bis zur Nachwendezeit wird hier erzählt. Als die Treuhand das Ruder übernimmt und alle Räder still stehen, tritt der Milliardär Křetínský auf und schlägt weiter Profit aus der Region. Die Frage stellt sich immer wieder: Wem gehört die Kohle eigentlich? Das Stück beansprucht eine kritische Haltung.

Doch was passiert mit den Menschen im Tagebau, die auf einmal mit ihrer Arbeit auch ihre Identität verlieren? Die individuellen Geschichten werden nur angedeutet, die innerpsycholgischen Vorgänge wenig ausgeleuchtet. Die Schauspieler auf der Bühne schlüpfen nur zeitweilig in die Rolle einer Figur und dienen vielmehr als Platzhalter für verschiedene Protagonisten. Obwohl der Raubbau ein Ende findet, legt sich ein Schatten über die Region und ihre Menschen.

Die Schauspieler, in weiße Schutzanzüge gekleidet, kontrastieren anfangs das Schwarz der Kohle, werden jedoch zunehmend schmuddeliger und passen sich immer mehr ihren Lebensbedingungen an – eine spannende Idee der Regie. Das Bühnenbild ist reduziert auf das Wesentliche: Schienen, eine Lore, Briketts und ein grafisch anmutendes Holzgerüst, das als Behausung dient. Trotz seiner kompakten dokumentarischen Erzählweise zieht sich das Stück doch sehr in die Länge. Die sechs Schauspieler fordern viel Aufmerksamkeit von den Zuschauern. Das Stück lebt nicht von brennenden Dialoge sondern eher durch seine vielen Fakten und seine kritische Botschaft an das Publikum.

Brennende Erde

von Regine Dura und Hans-Werner Kroesinger

Uraufführung 17. Januar 2020, Schauspiel Leipzig

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