Mit autobiografischer Tinte

Der Lyrikband „Es fielen die schönen Bilder“ von Utz Rachowki spiegelt erlebte und erinnerte Literaturgeschichte

Utz Rachowski, 1954 in Plauen, in der DDR geboren. Zur Erweiterten Oberschule, dem damaligen Pedant des heutigen Gymnasiums wurde er delegiert. Die Einladung zu freier Meinungsäußerung war nicht gerade systemimmanent, sodass die jungen Leute des von ihm gegründeten Philosophieclubs 1971 von der Staatssicherheit bespitzelt wurden und bald in Kollisionskurs zum Marxismus/Leninismus gerieten. Rachowski wurde von der Schule und aus der FDJ geschmissen. Nach diesem Bruch widmete er sich trotz alledem mit Engagement einer Lehre als Elektromonteur und leistete anderthalb Jahre Grundwehrdienst bei der NVA. Nach Feierabend absolvierte er sein Abitur an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät, wie die Abendschule, für die Absolvierung des zweiten Bildungsweges genannt wurde. Nach zwei Semestern Medizinstudium wurde er in Leipzig exmatrikuliert und arbeitete – wie sein berühmter sächsischer Dichterkollege Wolfgang Hilbig – als Heizer.

Studium im Westen

1979 publizierte er ohne Druckgenehmigung eigene und andere Gedichte u.a. von Biermann, Rainer Kunze und Gerulf Pannach. Dieses war ein Politikum mit dem Ergebnis einer Verurteilung zu 27 Monaten Haft. Der längst übergesiedelte und inzwischen etablierte Reiner Kunze (Brief mit blauem Siegel, 1973 Reclam) setzte sich für ihn ein und Amnesty International intervenierte erfolgreich. Utz Rachowski konnte 1980 in die Bundesrepublik entlassen werden. In Göttingen und an der FU Berlin studierte er Kunstgeschichte und Philosophie.

Zuerst läuft auf seiner neuen Lyriksammlung Es fielen die schönen Bilder eine Katze vorbei, jedenfalls für die Lesenden, die das Buch neugierig wie ein Kind hin und her drehen, bevor sie es aus durchsichtiger Hülle lösen. Im Text selbst begegnen wir einem Tier aus ganz anderer Welt, das der Dichter über alles liebt, obwohl es ihm rein zivilrechtlich gar nicht gehört. Er, der souverän mit Sprache umzugehen weiß, legt für das geliebte Lebewesen doppelt nach; zwischen den Zeilen befindet sich ein Foto. Autobiographisch geprägte Verse erwarten uns im inneren des Werkes, aber mit einer Verortung, die weit in die Geschichte des polnischen Landadels geprägt, gleichwohl der Stempel seiner Repression in der DDR deutlich bleibt.

Zurückhaltendes Versmaß

Sein Versmaß ist zurückhaltend unter all diesen Zeilen, so kaum hörbar mit weißer Pfote einer Wolkenkatze aus September. Alles geht gut in diesem Lyrikband, sogar ein Gedicht über Rilke zu schreiben, ohne auf dem Faszinosum der Klangspur auszurutschen. Weil diese Verse mit autobiografischer Tinte geschrieben sind, gibt es wenig deutliche mimetische Entfremdung, trifft er so viele Personen aus der Zeitgeschichte und Literatur, dass sich ein Who is Who füllen ließe. In der magischen Laterne dieses Dichters leuchten Kunz von Kaufungen, Rudolf Bahrow und der chinesische Friedensnobelpreisträger Lui Xiabo, Krystof Kieślowski oder Peter Kurzeck auf. Durch erlebte wie erinnerte Literaturgeschichte strömt der Atem der Welt ins Werk.

Dieses Buch empfiehlt sich für das Lyrik-Publikum, besonders für jenes, das der Metaphern und Spuren der Lyrik des Barock und ähnlichen Dekors in aktuellen Werken müde ist. Fakten werden in diesem Werk ausgebreitet wie frisches Brot beim Bäcker, dieses Buch aus der Reihe Neue Lyrik der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen bietet brandheiße Informationen. Hier erfahren Sie authentisches Erlebnis von DDR-Doping im Schulsport oder welcher sächsische Lyriker die Wohnung nicht mehr ohne geladene Schusswaffe verlassen wollte.

Utz Rachowksi: Es fielen die schönen Bilder

poetenladen Verlag

168 Seiten

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